Das sichere Orakel

Smart Contracts, die auf Ereignisse in der echten Welt Bezug nehmen, haben wenig Nutzen, wenn es keine sicheren Datenquellen dafür gibt. Eine Kooperation zwischen einem Start-up und Forschern könnte den Durchbruch bringen.

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Das sichere Orakel

(Bild: "Lousy At Keyboards" / Alan Levine / cc-by-2.0)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Mike Orcutt

Wahrscheinlich haben Sie es schon gehört: Blockchain-Technologie und Smart Contracts sollen unser Leben revolutionieren.

Aber es gibt ein Problem dabei: Damit intelligente Verträge irgendeinen Nutzen haben, braucht es eine zuverlässige Methode, um sie mit Ereignissen in der realen Welt zu verbinden – und daran fehlte es bislang. Man spricht hier vom „Orakel-Problem“, einer technischen Herausforderung, die immer noch verhindert, dass die Blockchain einen Durchbruch erlebt und zum Teil unseres Alltags wird.

Möglicherweise ändert sich das jetzt. Das Start-up Chainlink kombiniert seine Software mit einem vertrauenswürdigen Hardware-System namens Town Crier, das von einer wichtigen Forschungsgruppe im Bereich Kryptowährungen entwickelt wurde. Zusammen könnte dies einer Lösung für das Problem näher kommen als alles andere zuvor.

Smart Contracts sind in einer Blockchain gespeicherte Verträge. Sie lassen sich nutzen, um automatisch einen nicht zu stoppenden Transfer von Krypto-Token zwischen Nutzern nach vorher vereinbarten Bedingungen einzuleiten. „Orakel“ sind Echtzeit-Datenströme, die Informationen wie Wetterdaten, Wechselkursen, Flugdaten oder Sportergebnisse an die intelligenten Verträgen liefern.

Die Idee ist, dass mit einer Zusammenarbeit zwischen den beiden Systemen Blockchain-basierte Services zur Interaktion mit der echten Welt mit höherem Vertrauensgrad als bei heutigen Orakel-Diensten möglich werden. Wenn zum Beispiel Ihr Flug verspätet ist, Sie aber eine Versicherung dagegen gekauft haben, könnte ein intelligenter Vertrag sofort die Zahlung an Sie leisten, wenn er von einer vertrauenswürdigen Quelle neue Flugdaten erhalten hat.

Was also ist das Problem? Die bislang entwickelten Orakel-Dienste widersprechen grundsätzlich dem Sinn einer Blockchain, sagt Sergey Nazarow, der CEO von Chainlink. Bei Ethereum zum Beispiel berechnen alle am Netzwerk teilnehmenden Knoten jeden Smart Contract, was es fast unmöglich macht, einen davon abzuschalten. Die heutigen Orakel-Dienste dagegen sind zu zentralisiert, sagt Nazarov. Als zentrale Punkte, die ausfallen können, locken sie Angreifer an.

Die Folge ist, dass es intelligenten Verträgen an Zugang zu Daten aus der echten Welt mangelt. Und ohne das sind sie wie „eine Stadt ohne Strom“, sagt Ari Juels, Informatik-Professor an der Cornell University. „Man kann damit nicht viel Interessantes anfangen.“

Juels und seine Kollegen in der Initiative for Cryptocurrencies and Contracts haben Town Crier entwickelt, das sie als „hochgradig vertrauenswürdige Brücke“ zwischen der Ethereum-Blockchain und Online-Datenquellen auf HTTPS-Basis beschreiben (pdf). Die Kernkomponente ist ein Programm, das in einem isolierten Stück Hardware mit der Bezeichnung „secure enclave“ läuft.

Die Funktion der Enklave besteht darin, dass sie das Programm vor bösartigen Angriffen schützt und die Berechnungen vertraulich hält. Sie nimmt Anfragen nach Daten von intelligenten Verträgen entgegen. Zum Beispiel könnte ein Flugversicherungskontrakt fragen, ob ein Flug gestrichen wurde, und dann Antworten von Websites abrufen und in die Blockchain weiterzumelden. Mittels Kryptografie und unter der Annahme, dass die Hardware vertrauenswürdig ist, kann die Enklave der Flugversicherung beweisen, dass die Daten wirklich von Town Crier kamen und nicht manipuliert wurden.

Town Crier mag damit vertrauenswürdiger sein als andere Datenquellen, doch für sich allein genommen bietet es nicht die Zuverlässigkeit von dezentralen Systemen. An diesem Punkt kommt Chainlink ins Spiel. Die Software des Unternehmens orchestriert dezentrale Netzwerke aus Orakeln so, dass sie für auf Smart Contracts basierende Dienste unterschiedliche Datenquellen nutzen und somit nicht auf eine einzelne angewiesen sind.

Mittels Kryptografie belegt der Chainlink-Dienst in der Blockchain, dass es sich bei den Daten tatsächlich um die Informationen handelt, die er liefern soll. Kunden können für unterschiedlich starke Dezentralisierung bezahlen, und die Knoten können Geld verdienen, wenn sie Daten bereitstellen. Laut Nazarov ist die Kombination der Chainlink-Software mit dem Hardware-System Town Crier das erste „beweisbar sichere, dezentralisierte Orakel-Netzwerk“.

Chainlink hat Partnerschaften mit mehreren Smart-Contract-Projekten geschlossen, um sein Orakel-Netz zu demonstrieren. Im Projekt OpenLaw zum Beispiel werden rechtliche Vereinbarungen auf der Grundlage von Smart Contracts entwickelt. Es nutzt ein Chainlink-Orakel, um den Wechselkurs zwischen Ether und dem US-Dollar zu bestimmten Zeiten festzustellen. „Ich weiß nicht, ob irgendjemand das 'Orakel-Problem' schon vollständig gelöst hat“, sagt der OpenLaw-Mitgründer Aaron Wright. Chainlink und Town Crier seien aber ein „guter erster Versuch“.

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