Chinas Märchenprinz

Kalendertürchen: Li Shufu

Li Shufu hat den Geely-Konzern zu einer Weltmacht in der Automobilindustrie gemacht. Der Name bedeutet so viel wie „Glück verheißend“. Die Schweden mögen dem zustimmen, die Schwaben eher noch nicht - was nicht so bleiben muss

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
3 Bilder
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn

Alles begann mit einem Fotoapparat. Li Shufu, damals noch ein kleiner Junge, konnte sich einen kaufen und fotografierte Touristen vor Sehenswürdigkeiten, um ihnen die Bilder zu verkaufen. Von den chemischen Prozessen der Entwicklung fasziniert, begann er Elektroteile auseinander zu nehmen und einzelne Metalle wie Gold und Silber auszubauen. Er fertigte Ersatzteile für Haushaltsgeräte und studierte Maschinenbau. Anschließend, 1993, kaufte er dem chinesischen Staat eine Pleitefirma ab, die Motorräder herstellte. Er sanierte den Laden und bekam 1997 die Lizenz Autos zu fertigen. Für das China der damaligen Zeit eine kleine Sensation. Oder in den Worten von Li: „Heute ist es verboten, an Nuklearwaffen zu forschen, aber zu jener Zeit war es genauso illegal, Autos zu entwickeln.“ Der Name der neuen Autofirma: Geely.

Chinas Vorzeigemanager

Das Problem war damals, dass die Qualität der Fahrzeuge nach europäischen Maßstäben nicht konkurrenzfähig war. Das sah auch Li so. Er wollte die wachsende chinesische Mittelschicht mobilisieren, aber nicht mit diesen Autos. Die erste Charge ließ er angeblich wegen Qualitätsmängeln verschrotten. Er kaufte Fahrzeuge aus den USA und Europa, schraubte sie auseinander und kam so dahinter, wie die Qualität gesteigert werden konnte. Kurzum: Die Taktik ging auf. Heute gehören – neben in Europa eher unbekannten Firmen – die Marken Volvo, Lotus und London Taxi Cab zum Portfolio von Geely. Li ist mit einem geschätzten Privatvermögen von 17 Milliarden Dollar einer der reichsten Chinesen überhaupt.

Das erreichte Li auch, weil er Dinge anders machte als viele seiner chinesischen Mitbewerber. Volvo ist ein Musterbeispiel. Er kaufte die schwedische Marke nicht, um sie auszubeuten und zuzusperren, sondern, um sie zu reanimieren und in die Zukunft zu führen. Mit viel Geld päppelte er Volvo auf und entwarf eine Vision für die Zukunft. In der ist Volvo ein Anbieter von Elektroautos. Schon im kommenden Jahr soll kein Volvo mehr ohne Elektromotor verkauft werden – was freilich auch den Hybridantrieb mit einschließt.

Der Plan mag in Europa allzu euphorisch klingen, der größte Markt der Schweden ist mittlerweile aber China. Dort gibt es eine Elektroautoquote und ein Punktesystem, das Firmen subventioniert, die Elektroautos bauen. Und Mitbewerber mit übermäßiger Verbrenner-Produktion bestraft. Dazu kommt, dass Volvo in China Autos anbietet, die für Fondpassagiere gebaut werden. Ohne Beifahrersitz. Mit Lounge-Atmosphäre auf den Rücksitzen. Weil in China niemand, der sich einen Volvo leisten kann, selbst fährt. Das wäre eine Degradierung.

Alles nur Kaffeesatzleserei

Etwas überraschend – auch und vor allem für Mercedes – ist Li seit Anfang 2018 auch der größter Einzelaktionär bei Daimler. Für etwa sieben Milliarden Euro erwarb er 9,7 Prozent der Daimler-Aktien. Aktiv sprach er sich für mehr Kooperationen in Sachen Elektromobilität aus. Allerdings nicht auf der Jahreshauptversammlung, sondern in einem Gastbeitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Eine forsche Art, die in Stuttgart kritisch gesehen wird. Fachmagazine sprechen von „Finanztricks“, mit denen sich Li so viele Aktien hätte sichern können, erklären aber nicht, wo ein normales Aktiengeschäft endet und wo ein Trick beginnt. Zu revolutionär seien die Pläne, zu kompliziert und politisch sensibel die Verteilung der Daimler-Aktien (ein kuwaitischer Staatsfond und BlackRock sind die zweit- und drittgrößten Aktionäre) und zu umfangreich die Kooperationen in China. Alles Kaffeesatzleserei.

Li wird da deutlicher. „Die Wettbewerber, die uns im 21. Jahrhundert technologisch herausfordern, kommen nicht aus der Autoindustrie“, sagt er und meint damit Google, Tesla und Uber. Er wolle „Daimler auf dem Weg zu einem der weltweit führenden Anbieter von Elektromobilität begleiten.“ Li will eine Revolution in der Industrie. Lieber heute als morgen. Denn morgen hinkt man sonst den Trends von heute hinterher. (mfz)