Nach 30 Jahren Debatte: Regierung beschließt Einwanderungsgesetz

Die deutsche Wirtschaft ruft nach Fachkräften. Die sollen künftig auch leichter aus dem Ausland kommen können. Die Regierung hat Regeln auf den Weg gebracht.

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Nach 30 Jahren Debatte: Regierung beschließt Einwanderungsgesetz

(Bild: José Martín)

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  • dpa

Die Bundesregierung will mehr Fachkräfte nach Deutschland locken und abgelehnten Asylbewerbern mit Job eine Chance auf Daueraufenthalt geben. "Im Kern geht es darum, dass wir nicht die Falschen abschieben", sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Berlin zu den neuen Regeln, die das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat. Innenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte, die Pläne, die noch vom Bundestag gebilligt werden müssen, könnten auch einen Beitrag dazu leisten, die illegale Migration zurückzudrängen. Innerhalb der Union gibt es allerdings noch ernsthafte Bedenken.

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Das Kabinett hatte zuvor einen Gesetzentwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschiedet. Es sieht vor, dass die Hürden für die Einreise von Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten gesenkt werden. Wer qualifiziert ist und gut Deutsch spricht, soll auch ohne Arbeitsvertrag kommen dürfen, um sich einen Job zu suchen. Das war bisher nur für Hochschulabsolventen möglich. Damit will die Regierung den Fachkräftemangel beheben, der laut Heil in einigen Branchen und Regionen schon jetzt ein "Wachstumshemmnis" ist.

Mittelstandspräsident Mario Ohoven meldete hier noch "erheblichen Nachbesserungsbedarf" an. "Die neuen Anforderungshürden lassen keine große Linderung des Fachkräftemangels erwarten", erklärte er. Aus Sicht des Hauptgeschäftsführers der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber, Steffen Kampeter, entwickelt sich der Fachkräftemangel zum "Bremsklotz Nummer 1 für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft". Fachkräftezuwanderung sei zwar nötig, es müsse aber auch die Langzeitarbeitslosigkeit gesenkt, Ganztagsbetreuung massiv ausgebaut und die Rente mit 67 konsequent umgesetzt werden.

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Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung waren in Deutschland im dritten Quartal 1,24 Millionen Stellen unbesetzt. 2,17 Millionen Menschen waren im November arbeitslos. Durch ein Beschäftigungsduldungsgesetz sollen gleichzeitig neue Perspektiven für gut integrierte abgelehnte Asylbewerber geschaffen werden. Mit der sogenannten Beschäftigungsduldung könnten abgelehnte Asylbewerber, die nur einen Duldungsbescheid haben, einen sichereren Aufenthaltstitel erhalten. Voraussetzung ist unter anderem, dass sie mindestens 18 Monate in Vollzeit gearbeitet haben.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einem "historischen Tag". Er sagte, dass die Regierung jetzt 30 Jahre Debatte über ein Einwanderungsgesetz hinter sich lasse, sei "ein Ausweis für die Handlungsfähigkeit der großen Koalition". SPD-Vize Ralf Stegner sagte: "Das beendet auch ein bisschen die Lebenslüge der Konservativen, wir seien kein Einwanderungsland."

Die SPD hatte darauf gedrungen, beide Vorhaben noch in diesem Jahr auf den Weg zu bringen. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass die Entwürfe im parlamentarischen Verfahren noch leicht verändert werden. Der Union ist wichtig, dass abgelehnte Asylbewerber, die ihre wahre Herkunft nicht preisgeben wollen, keine Möglichkeit erhalten, sich einen dauerhaften legalen Status zu verschaffen.

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Mathias Middelberg, sagte: "Es gibt Kritik hinsichtlich der Regeln für den Wechsel abgelehnter Asylbewerber in die Arbeitsmarktzuwanderung." Deshalb sei es wichtig, dass die "Beschäftigungsduldung" im Gesetzentwurf nun bis zum 30. Juni 2022 begrenzt sei. Denn die Regelung sende "falsche Signale". CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus kündigte intensive Diskussionen an. Seehofer wollte in der Regelung zum Arbeitsmarktzugang für Geduldete indes keine Anreize zur Einwanderung erkennen. Schließlich gebe es anspruchsvolle Voraussetzungen.

Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Filiz Polat, nannte den Entwurf enttäuschend. Die Hürden für die Fachkräfteeinwanderung seien zu hoch, die Beschäftigungsduldung unzureichend. Die migrationspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Linda Teuteberg, beklagte: "Angesichts der prognostizierten rund 3,9 Millionen Arbeitnehmer, die die deutsche Wirtschaft in den nächsten Jahren zusätzlich braucht, ist das wirklich ein Tropfen auf den heißen Stein". (anw)