Kanada: Erste Glasfaser im Permafrost hilft deutschen Satelliten

Der Canada North Fibre Loop wird weiten Teilen Nordkanadas einen redundanten Backbone bringen. Das hilft Menschen, Wirtschaft und Wissenschaft.

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Bodenfräsmaschine im Schnee

Ist das Bodenmaterial nicht zu lose, kann mit so einer Maschine ein Schlitz für Glasfaser gefräst werden. Andernfalls muss tief in den Fels gebohrt werden.

(Bild: Northern Lights GP)

Lesezeit: 14 Min.
Inhaltsverzeichnis

Im Permafrost des Nordwesten Kanadas entsteht schrittweise ein Glasfaserring. Er heißt Canada North Fibre Loop und wird die Anbindung des Yukon-Territoriums sowie der benachbarten Nordwest-Territorien entscheidend verbessern. Davon werden auch das Deutsche Luft- und Raumfahrt-Zentrum (DLR) und andere Raumfahrt-Organisationen profitieren. Sie betreiben in der Stadt Inuvik Bodenstationen, die zunächst nur als Backup genutzt werden konnten, weil Breitband-Anbindung fehlte.

Die Auswirkungen redundanter und damit verlässlicher Breitband-Anbindungen könnten in der Region erstaunlich weit gehen: Insbesondere für die Ureinwohner in abgelegenen Siedlungen eröffneten sich neue Bildungswege, Telemedizin soll die Gesundheitsversorgung voranbringen, und es besteht Hoffnung auf geringere Suizidraten. Zudem verbessern sich die Standortbedingungen. Laufend besuchen Unternehmer die Region, äußern sich begeistert über die Lebensqualität, wollen aufgrund unzuverlässiger Internetversorgung aber keinen Firmenstandort eröffnen.

"Larger than life" (überlebensgroß) ist der Werbeslogan des Yukon Territoriums. Es ist mehr als 482.000 Quadratkilometer groß und damit gut ein Drittel größer als Deutschland. Doch während die Bundesrepublik auf 83 Millionen Einwohner zusteuert, leben im Yukon nur etwa 40.000 Menschen.

Der Yukon liegt zwischen der Arktischen See im Norden, den kanadischen Nordwest-Territorien (NWT) im Osten, der Provinz Britisch-Kolumbien im Süden und Alaska im Westen. Die NWT haben an die 45.000 Einwohner. Seit der 1999 erfolgten Abspaltung des riesigen, östlich gelegenen Nunavut-Territoriums umfassen die Nordwest-Territorien "nur noch" 1,35 Millionen Quadratkilometer. Das entspricht 30 Prozent der gesamten Europäischen Union. Abseits der Hauptstädte (Whitehorse im Yukon mit etwa 28.000 Einwohnern und Yellowknife in den NWT mit 20.000 Einwohnern) verlieren sich die restlichen Einwohner der beiden Territorien allerdings in den kühlen Weiten.

Dementsprechend gering ausgebaut ist die Glasfaserinfrastruktur. Aus Britisch-Kolumbien führt ein Glasfaserstrang in den Yukon, zur Hauptstadt Whitehorse und noch etwa 350 Kilometer weiter zu einem Funkmast auf dem Hügel Ferry Hill. Von dort geht es mit Richtfunk weiter. Damit hat selbst Dawson City, die zweitgrößte Stadt des Yukon und bis 1953 dessen Hauptstadt, keine Glasfaser.

Dawson City, YT, im Juli. Zu Zeiten des Goldrausches um 1898 hatte Dawson 40.000 Einwohnern und war damit die größte Stadt in ganz Westkanada.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Richtfunk erlaubt nur bescheidene Bandbreiten, während Satellitenverbindungen teuer sind und ebenfalls beschränkte Kapazität haben. Und die Parabolantennen müssen regelmäßig von Schnee befreit werden. Dazu kommen Störungen durch Sonnenstürme sowie den Sonnentransit: Während jeweils zweier Wochen im Frühling und Herbst steht die Sonne täglich einige Zeit hinter den geostationären Satelliten, was die Satellitenverbindungen stört. Das dauert zwar jeweils nicht lange, nervt aber, und kann einem Unternehmen in entscheidenden Momenten viel Geld kosten.

In den Nordwest-Territorien, wo ein Glasfaserstrang aus Alberta in die Hauptstadt Yellowknife führt, war die Situation ähnlich wie im Yukon. Dann wurde voriges Jahr eine neue Glasfasertrasse entlang des Mackenzie-Tals in Betrieb genommen. Der etwa 1.200 Kilometer lange Mackenzie Valley Fibre Link steht im Eigentum des Territoriums und führt bis nach Inuvik (etwa 3.500 Einwohner). Der Mackenzie ist Kanadas längster Fluss.

Erstmals gibt es damit in Kanada nördlich des Polarkreises Glasfaser. Es dürfte sogar das erste Mal sein, dass jemand Glasfaser in Permafrostboden verlegt hat: "Niemand hat jemals Glasfaser durch Permafrost verlegt", sagte Imran Khan, General Manager der Betreiberfirma Northern Lights General Partnership, im Interview mit heise online. Northern Lights vermietet die Leitungskapazität an Netzbetreiber wie den ISP Northwestel, der seine Tarife in Inuvik dank Glasfaser etwas senken konnte, und andere Großkunden, wie eben die Raumfahrt-Organisationen.