Medizin: Über Geld spricht man nicht

Schon heute klagen Mediziner und Krankenkassen über Mondpreise für neue Medikamente. Die neue Präzisionsmedizin dürfte die Kosten weiter steigen lassen.

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Medizin: Über Geld spricht man nicht

(Bild: Sébastien Thibault)

Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Nike Heinen
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Die Pharmakonzerne quetschen im Moment das deutsche Gesundheitssystem aus, so gut sie können", sagt ein bekannter Professor für Gesundheitsökonomie. Er möchte nicht mit diesem Satz zitiert werden. "Das stimmt", sagt eine Gesundheitswissenschaftlerin, die für die Bundesregierung arbeitet. "Aber da ist niemand, der sich traut, dem einen klaren Riegel vorzuschieben."

Auch sie spricht nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Wie die meisten, die Technology Review nach den aktuellen Teuerungen bei Arzneimitteln befragt hat – und die dazu eigentlich etwas sagen können müssten, weil sie von Amts wegen fürs Ziehen der Kostenbremse zuständig sind. Längst hat die neue Preispolitik der Arzneimacher einen Namen: Mondpreise. Aber das ist auch so ein getuscheltes Geheimnis. Alle nennen es so, keiner will damit in der Zeitung stehen.

Am Anfang war diese Zahl: 916.791,72 Euro. So viel soll laut den Zulassungsunterlagen die Behandlung mit dem neuen Medikament Crysvita pro Patient und Behandlungsjahr kosten. Darin enthalten: maßgeschneiderte Antikörper. Der Stoff ist seit dem 4. Oktober für deutsche Kassenpatienten zugelassen. Das Unternehmen Kyowa Kirin GmbH, deutsche Tochter eines japanischen Konzerns, hat bis zu 437 Kinder und Jugendliche als potenzielle Kunden unter den gesetzlich versicherten Deutschen ausgemacht. Das sind sehr wenige Patienten. Trotzdem locken dank des hohen Preises beeindruckende Umsätze: 400 Millionen Euro jährlich, sollte die Rechnung aufgehen. 2017 gaben die Kassen 41,5 Milliarden Euro für Medikamente aus. Nach den Kalkulationen von Kyowa Kirin könnte schon im nächsten Jahr einer von 100 Beitrags-Euros für die Behandlung einer einzigen, sehr seltenen Erkrankung ausgegeben worden sein.