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Was war. Was wird.

Für Hal Faber fängt die neue Woche gut an: IBM-Computer stellen sich erstmals auf den Menschen ein, in Boston soll ein Bömbchen platzen, und Unisys entschuldigt sich fürs Multitasking.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war

*** Wer sich entschuldigen kann, ist klar im Vorteil: Mark Forman, bislang bei Unisys für das e-Business zuständig, wird oberster Leiter des e-Government-Fonds in den USA. Im sogenannten Office of Management and Budget geht er daran, die amerikanische Regierung zu digitalisieren. Da passt es trefflich, dass sich Unisys für den Computer entschuldigt hat und auch die Folgen nicht aus den Augen verloren hat, die der Einsatz von Computern mit sich bringt. SPAM, die Dotcom-Blase und das Platzen der Bobo-Träume. All das ist eine Erblast des UNIVAC und Unisys entschuldigt sich. Auch für das Multitasking, weil es ganz und gar nicht unserem Wesen entspricht, gleich morgens beim Zähneputzen Kaffee zu trinken, zu surfen und ein Brötchen zu schmieren. Womit wir bei der Frage wären, ob es eine Art Unisys-Langzeitdachschaden gibt, der Menschen süchtig macht. Wissenschaftlich scheint da nichts dran zu sein, wenn die Onlinesucht in Deutschland immerhin offiziell ad acta gelegt und der Hilfsdienst geschlossen wird. Wobei, der Einwurf sei gestattet, es absolut seltsam ist, die Onlinesucht mit einem Online-Angebot zu bekämpfen.

*** Jasper dagegen hat sich noch nicht entschuldigt. Wie die Geschichte es will, ist Jasper ein Webhamster aus Holland, dem das Design geklaut wurde, und der es nicht weiß auf weiß sondern schwarz auf weiß bei dem begucken wollte, der es gemopst hatte. Der wiederum hatte gerade anderes zu tun, wie der Output der versehentlich angelassenen Web-Kamera beweist. Kurzerhand kopierte Jasper die hübschen Momente eines bewegten Lebens und schickte das ganze Vergnügen an die Internet-Ausgabe des Volkskrant, dagindaguit.nl. Von dort aus lief die Sache quasi um die Welt, zur Warnung an alle Web-Bastler: die Rache eines Webhamsters kann furchtbar sein. Und wird der Code nicht geändert, dann rast die alle Probleme lösende Saugmaschine über die Site hinweg und schlürft den ganzen Dreck in sich hinein.

*** Einfach weggesaugt wurde in den USA auch Cue Cat, ein Scanner in Katzenform, der mittels Barcode in einer Werbeannonce schnell die richtige Website heranholen sollte. Am Cue Cat hatten kreative Hacker ihren Spaß, doch weniger die Firma CompuShack und ihre Tochter Digital Convergence. Doch halt, der Spaß fängt vielleicht erst noch an! Wenn die Prognosen der immer wieder zu verehrenden Marktforscher stimmen, dann werden Mobiltelefone mit integriertem Barcode-Leser der nächste große Renner. Noch bevor das Handy mit Spracherkennung kommt, das fleißig alle Nummern wählt, die spät am Abend in den Werbepausen von Vox und DSF aufgesagt werden.

*** Zu den beruhigenden Nachrichten dieser Woche gehört die Liste der reichsten Menschen dieser Welt, die von einem fast unangefochtenen Herrn namens Bill Gates angeführt wird. Weiter hinten, auf Platz fünf, rangiert ein Brüderpaar aus Deutschland, mit dem uns die Aldi-Tüte verbindet. Richtig, die Rede ist von den Gebrüdern Theo und Karl Albrecht. In unserem bescheidenen Land gibt es Menschen und nicht nur Bobos, die haben viel Spaß an der Discounter-Kette der Abrechts. Nein, nicht wegen des Aldi-Computers – obwohl manche auch deswegen. Aldi-Fans rühmen die "Qualität der Waren" und die "fairen Preise". Auch damit, lieber Bill Gates, kann man es im Club der Milliardäre weit bringen. Aber natürlich niemals auf Platz eins. Klar, geht gar nicht. Hätten wir uns eigentlich denken können.

*** Einer, der immer schon vorher alles weiß, hätte sich auch denken können, dass Bill Gates in der Open Source gar kein Krebsgeschwür, sondern nur eine Pac-Man-artige Technik sieht. Irgendwie ja logisch, denn Pac-Man schnappt zu und dann ist Schluss. Offensichtlich handelt es sich also um eine Unart, bei der die Pac-Man-Programmierer gefressen werden, die sich an quelloffenen Stoffen laben. Es könnte sich aber auch um eine Art Vergiftung handeln, juristisch betrachtet: In den Lizenzbedingungen zum Mobile Internet Kit für MS-Entwickler haben die Rechtsanwälte den schönen Begriff virale Software für Programme eingeführt, die nach GPL, FPL oder einer anderen Pac-Man-Lizenz gestaltet sind. Gegen solche Virus-Bedrohungen muss man sich einfach mit einer Lizenz schützen.

*** Für echte Mac-Fans muss es bewegend gewesen sein, dass sich auf der MacHack fast das komplette Team noch einmal zusammenfand, das den Macintosh aus der Taufe gehoben hat – und nicht mit Kritik am neuen OS X sparte. Besonders der Design-Guru Jeff Raskin zeigte sich nicht angetan von dem, was Apple heute unter dem Begriff "einfache Benutzerführung" versteht. Vielleicht könnte man Raskin beruhigen mit dem Hinweis, dass einfache Ideen nicht kompatibel mit dem Unterfangen sind, Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das gilt nicht nur für Apple! Vielleicht wird es so kommen, dass wirklich einfache Ideen wie Disk on Key nicht nur von der Presse belächelt, sondern sinnvoll dort eingesetzt werden, wo Computer als Luxus gelten und stattdessen die Simputer gefragt sind. Wenn Philosophen als Spielzeug populär werden, dann ist es an der Zeit, Computer einfacher als Spielzeug zu machen!

Was wird

*** Große Niederschläge verkündet der e-Wetterbericht für die Online-Süchtigen. Überall hagelt es Konferenzen, Workshops und Entschuldigungen. Es beginnt gleich am Montag in Köln mit dem Tagungsreigen des Medienforums NRW, auf dem AOL eine Diskussionsrunde zum Thema "Internet für alle?" schmeißt. Ausgerechnet die Firma, die Microsoft generös das Monopol für Browser lässt und auf eine Zukunft wartet, in der es zwei Sieger und den mediokren Rest gibt. Einen Tag später wird in Rostock ein Net-Entwicklungszentrum eröffnet, mit dem die Regierung von Meck-Pom der notleidenden Firma Microsoft unter die Arme greift. Als Alternative bietet sich Nordrhein-Westfalen an, wo IBM den Red Dot Award der Designerbranche gewinnt. IBM bekommt den Preis, weil es mit dem Think Scribe für den ThinkPad Trans Note eine "völlig neue Ära im Produktdesign" einläutet, in der sich "erstmals die Computer auf die Menschen einstellen". Beim heiligen Mac, das wird Jeff Raskin freuen!

*** Es wir Zeit, unser Augenmerk einmal auf einen Flecken jenseits des Teichs zu richten. In Boston findet die Usenix 2001 statt, auf der am Donnerstag ein Bömbchen knallen soll. Erwartet wird ein Referat von Don Davis, der das Verschlüsseln und Signieren in Programmen wie PGP oder S/MIME mit der Public-Key-Methode unter dem Aspekt der Authentizität für kompletten Blödsinn hält. Gleich nach dem Referat soll sich dieser Link mit Fakten füllen. Am selben Tag und am folgenden Freitag kann man sich auch in Bonn aufhalten. Dort entschuldigen sich die Software-Pioniere stolz dafür, dass sie uns die strukturierte Programmierung, Ada oder Algol geschenkt haben. Und wenn sie stolz darauf sind, gebongt: das ist die Hohe Schule der Entschuldigung.

*** Die Hohe Schule der Kommunikation ist es, wenn sich Menschen verständigen können, die sich von Haus aus die Köpfe einschlagen wollen. Am Freitag startet in München ein Vermittlungsversuch der etwas anderen Art, wenn das Burda Center der Ben Gurion Universität Bar Sheva und das Münchener Institut für Kommunikationswissenschaft die Kombattanten im Cyberwar zwischen Israel und Palästina einladen. Passenderweise beschäftigt sich die Böll-Stiftung in Berlin mit einem ähnlichen Thema, der "Rüstungskontrolle im Cyberspace". Es ist an der Zeit, dass nicht nur Microsoft abrüstet. Hal Faber / (em)