Mobilfunk in nachhaltig

Ein Trio von Solarexperten will die Branche wechseln: mit einem datensparsamen Handy-Tarif ohne Überraschungen, bei dem der Strom für den Netzbetrieb aus erneuerbaren Quellen stammt. Kann das klappen?

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Mobilfunk in nachhaltig

(Bild: WeTell)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sascha Mattke
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Wer Wert auf einen nachhaltigen Lebensstil legt, findet in vielen Branchen passende Produkte – von Konten bei Öko-Banken über Strom aus erneuerbaren Quellen bis zu verantwortlicher Geldanlage oder Bio-Lebensmitteln. Ein Trio von Solarforschern aus Freiburg hat sich jetzt zusammengetan, um bewussten Konsum auch bei Mobiltelefonie zu ermöglichen. Wenn alles glatt geht, wollen sie in diesem Jahr unter dem Namen WEtell eigene Handytarife anbieten.

„Die Einstiegshürden im Mobilfunk sind enorm hoch“, sagt Andreas Schmucker, der als einziger der drei Initiatoren nicht mehr beim Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme arbeitet, wo das Trio sich kennenlernte. Die Mitgründer Alma Spribille und Nico Tucher sind weiterhin an dem Institut tätig, würden sich laut Schmucker aber in Vollzeit WeTell widmen, wenn das Projekt in Gang kommt.

Aber dafür muss zunächst einmal Geld her. Mitte Februar soll eine Crowdfunding-Kampagne starten, mit der das Trio mindestens 1000 Menschen gewinnen möchte, die zwei Jahre lang einen seiner drei Tarife für mindestens 15 Euro pro Monat vorausbuchen. Diese Grundfinanzierung, erklärt Schmucker, sei die Voraussetzung dafür, zusätzliches Geld von Banken zu bekommen. Eine Finanzierung über Wagniskapital sei zwar ebenfalls denkbar, aber nicht realistisch: „Wir wollen ein nachhaltiges Unternehmen aufbauen, das passt nicht gut zu den üblichen Exit-Strategien von Wagniskapitalfirmen.“

Von normalen Mobilfunk-Angeboten abgrenzen will sich WEtell mit einem Dreiklang aus speziellen Versprechen: Datenschutz, Klimaschutz sowie Fairness und Transparenz. Die Punkte Klima und Transparenz sind relativ leicht umzusetzen. Damit der Dienst rechnerisch keine CO2-Emissionen verursacht, will WeTell zusammen mit dem Versorger-Partner EWS Schönau neue Anlagen für erneuerbaren Strom errichten.

Dabei geht es vor allem darum, einen Ausgleich für den Stromverbrauch des Mobilfunknetzes zu schaffen. Transparenz und Fairness wiederum bedeuten schlicht, dass die Tarife leicht verständlich sein und keine versteckten Klauseln oder Kostenfallen aufweisen sollen.

Komplizierter wird es bei der Frage des Datenschutzes. Dies hängt damit zusammen, dass WEtell zumindest derzeit weit davon entfernt ist, ein vollwertiger Mobilfunknetzbetreiber zu sein – allein die nötigen Lizenzen dafür kosten Milliarden. Aus diesem Grund will das Unternehmen als „virtueller Service-Provider“ auftreten und muss dazu auf zwischengeschaltete Dienstleister zurückgreifen. Laut Schmucker dürfte WEtell anfangs sogar zu klein sein, um direkt Verträge mit einem Netzbetreiber abzuschließen, sodass ein größerer Service-Provider Partner gebraucht ist.

Wie Schmucker sagt, ist der schon gefunden, will seinen Namen aber vor dem tatsächlichen Start des Angebots nicht in der Presse sehen. In jedem Fall aber wird WEtell den Umgang mit den Daten seiner Kunden nicht komplett in der eigenen Hand haben. Auf der Website wird versprochen, dass Daten nur so lange gespeichert werden, „wie vom Gesetzgeber oder euch als Kunde*in vorgegeben“. Rechtlich gesehen aber sind Kunden nicht Kunden bei WEtell, sondern bei dem Service-Provider, sodass WEtell auf dessen Zusagen angewiesen ist. Laut Schmucker liegen die zumindest mündlich aber schon vor, und es sei auch nicht allzu kompliziert, die Prozesse beim Provider entsprechend anzupassen.

„Ideal ist das nicht“, räumt Schmucker ein, aber eben vorerst die Variante, die WEtell im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten den größten Gestaltungsspielraum gebe. Auf längere Sicht wünsche man sich mehr Autonomie bei der Produktgestaltung, aber das werde erst ab einer sechsstelligen Kundenzahl realistisch.

Wie gut das neue Angebot bei den Kunden ankommen wird, ist vollkommen offen. Noch darf WEtell keine Verträge abschließen, sondern nur Interessenten sammeln – für den Newsletter haben sich laut Schmucker bislang etwa 700 Personen angemeldet. Der Verlauf der Crowdfunding-Kampagne werde genauer zeigen, wie viel Potenzial die Idee hat. „Wenn wir unser Ziel nicht erreichen, ist das ein Indikator dafür, dass etwas an unserem Konzept nicht stimmt – oder dass Crowdfunding nicht das richtige Medium dafür ist“, sagt Schmucker.

Eine bedeutende Rolle dabei dürften auch die Preise spielen, und die sind bei WEtell durchaus happig: Der billigste Tarif kostet 15 Euro im Monat einschließlich Anruf- und SMS-Flatrate und 500 MB Daten, der teuerste 35 Euro mit 8 Gigabyte. Das ist ungefähr dreimal so viel wie bei Discount-Anbietern, laut Schmucker aber durchaus noch konkurrenzfähig zu anderen Angeboten im D-Netz, etwa bei der Telekom-Marke Congstar. Dass spezielle Angebote durchaus Chancen haben, zeigt Goood aus München, das seit Februar 2017 einen Mobilfunktarif anbietet, bei dem 10 Prozent des monatlichen Preises gespendet werden. Die aktuelle Zahl seiner Kunden in Deutschland und Österreich gibt der Dienst auf Nachfrage mit „mehrere tausend“ an.

Insofern scheinen die Chancen nicht schlecht zu stehen, dass auch WEtell zumindest sein Crowdfunding-Ziel erreichen wird. Was aber machen die Initiatoren, wenn trotz ihrer erkennbar guten Absichten doch nicht genügend Geld für den geplanten Start ins Haus kommt? „Einen Plan B haben wir aktuell nicht“, sagt Schmucker. Man sei aber voller „Hoffnung und Überzeugung, dass es klappt“ – und wenn doch nicht, werde auch das mit Sicherheit nicht das Ende der Bemühungen des Trios sein.

(sma)