KI erkennt Depression

Algorithmen werten in Videos Gesichtsausdruck und Sprache aus, um eine frühere Diagnose und Behandlung der Krankheit zu ermöglichen.

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KI erkennt Depression
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Will Knight

Millionen Menschen leiden weltweit an Depressionen. Weil es oft nicht leicht ist, psychologische Betreuung zu bekommen und Erkrankte stigmatisiert werden, verstärken sich ihre Probleme oft noch weiter. Eine frühzeitige Diagnose wäre wichtig, allerdings ist diese wie bei vielen anderen psychischen Erkrankungen schwierig. Das wollen Forscher um die KI-Expertin Fei-Fei Li, die kürzlich von Google an die Stanford University zurückgekehrt ist, mit Maschinenlern-Algorithmen erleichtern.

Die Wissenschaftler speisten Videomaterial von depressiven und gesunden Menschen in ein Maschinenlern-Modell ein, das darauf trainiert wurde, aus Gesichtsausdrücken, dem Tonfall und gesprochenen Wörtern zu lernen. Die Videos stammten aus Gesprächen der Patienten mit einem Arzt-gesteuerten Avatar. Das Stanford-System konnte in 83 Prozent der Fälle korrekt feststellen, ob jemand depressiv ist.

„Diese Technologie könnte weltweit in Mobiltelefonen eingesetzt werden und einen kostengünstigen Zugang zur Behandlung von psychischen Erkrankungen ermöglichen“, schreiben die Forscher in einer Arbeit, die sie Anfang letzten Dezember auf der „NeurIPS AI“-Konferenz in Montreal vorgestellt haben. Sie wiesen dabei darauf hin, dass die Technologie keineswegs ein Arzt ersetzen könne und fügen hinzu, dass die verwendeten Daten keine geschützten Gesundheitsinformationen wie den Namen oder den Wohnort der Patienten enthielten. Jetzt sei weitere Forschung nötig, um sicherzustellen, dass die Technologie Depressionen bei Männern und Frauen sowie bei verschieden Ethnien gleich gut erkennen kann.

Justin Baker, der als klinischer Psychiater am McLean Hospital in Cambridge, Massachusetts, ebenfalls den Einsatz von Technologien zur Behandlung psychischer Erkrankungen erforscht, ist beeindruckt, wie gut das Stanford-System Gesicht, Stimme und Sprache der Patienten analysiert hat. „Es ist sehr cool, weil das etwas ist, was Menschen sehr gut können“, sagt er. Baker zufolge könnten Künstliche-Intelligenz-Systeme und Smartphones bei sorgfältiger Anwendung große Auswirkungen haben: „Es ist sehr aufregend, muss aber in Kooperation mit klinischen Experten wirklich gut gemacht werden."

Andere Experten zeigen sich vorsichtiger bei der Bewertung der Ergebnisse. David Sontag vom Massachusetts Institute of Technology, spezialisiert auf maschinelles Lernen und Gesundheitsversorgung, sieht ein Problem darin, dass die Trainingsdaten in Interviews mit einem echten Arzt erhoben wurden, auch wenn sich dieser hinter einem Avatar befand. Das mache es schwer vorhersagbar, ob sich solche Diagnosen vollständig automatisieren lassen. „Die Arbeitsweise ist interessant“, sagt er, „aber mir ist noch nicht klar, wie sie klinisch einsetzbar wird.“

Neue Ansätze zur Erkennung und Behandlung von psychischen Erkrankungen versprechen jedoch, dass die Behandlung leichter zugänglich und möglicherweise auch wirksamer wird. Eine andere Stanford-Forschungsgruppe hat einen Chatbot für einfache kognitive Verhaltenstherapien entwickelt. Den Forschern um Andrew Ng zufolge habe sich der Ansatz als effektiv erwiesen. Auch viele der Patienten sagten, dass sie es vorziehen, mit einer Maschine zu sprechen.

(vsz)