Energie! Ein Crash-Kurs
Hier werden wir mal grundsätzlich: Wo kommt die Energie her, wo geht sie hin und wie wandelt man sie um, ohne dass zu viel "verloren" oder schief geht?
(Bild: Thomas Saur, TSAMEDIEN)
- Dr. Dieter Hoffmann
In der Arzneimittelwerbung ist es ganz einfach: Ein Knopfdruck genügt – und zack! ist Energie bereitgestellt für Körper und Geist. Toll, wenn das in der Technikwelt von uns Makern auch so einfach wäre! Ist es aber nicht – aber warum eigentlich? Vielleicht können Sie sich noch dunkel erinnern, dass in der Schule Energie definiert wurde als „Kraft oder Fähigkeit, Arbeit zu verrichten“. Das ist eine recht anschauliche Vorstellung, die uns in Verbindung mit der Zeit als Größe erlaubt, sehr viele physikalische, chemische und biologische Phänomene einfach zu beschreiben, zu berechnen und zu verstehen.
- Wo unsere Energie herkommt
- Wie Energie umgewandelt wird
Der Begriff Energie ist recht facettenreich, finden wir ihn nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern auch angewandt unter psychologischen, theologischen und esoterischen Aspekten, um beispielsweise inneren Antrieb, Aura, Chakra, körperliche Vitalität oder gar göttliches Tun zu beschreiben. Das scheint jetzt in eine seltsame Richtung zu gehen, führt aber zurück auf die Ursprünge der Vorstellung von Energie: Das Wort Energie ist abgeleitet aus dem Altgriechischen und bedeutet „Wirken von innen“. Aristoteles verstand darunter die „Wirkkraft, durch die das Mögliche in Seiendes übergeht“.
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In der naturwissenschaftlichen Literatur taucht der Begriff Energie als fundamentale physikalische Größe erstmals um 1800 auf, durch Thomas Young – das ist der Typ, der die Wellennatur des Lichts mittels Interferenzversuchen am Doppelspalt entdeckt hat. 1905 hat dann Superbrain Albert Einstein etwas für Normalos Unbegreifliches erkannt, nämlich dass Energie in Masse umgewandelt werden kann und umgekehrt. Das kann uns einfachen Makern aber fast egal sein, denn eine Kernspaltung ist nichts für den Hobbykeller.
Energieerhaltung
Uns reicht in der Praxis meist jene wichtige Erkenntnis der Wissenschaft, dass die Gesamtenergie eines Systems weder vermehrt noch vermindert werden kann – der bekannte Energieerhaltungssatz, der auf Robert Mayer und James Prescott Joule zurückgeht. Sicher wissen Sie bereits, dass verschiedene Energieformen eine Umwandlung in andere Energievarianten erfahren können – auch dann gilt jener Satz. Daher sind geläufige Ausdrücke wie „Energiegewinnung“ oder „Energieverlust“ physikalisch betrachtet totaler Unsinn: nichts geht verloren, nichts wird gewonnen.
Wenn jemand beispielsweise seinem Automotor so viel chemische Energie in Form von Benzin gibt, dass der 2,5 Tonnen schwere SUV mit einem selbst drinnen auf 180 Kilometer/Stunde beschleunigt wird und dann eine Gartenmauer im Wege steht, wird beim Aufprall die gesamte Bewegungsenergie restlos umgesetzt in andere Energien: Scheibenbremsen werden heiß und abradiert, Mauersteine zerbröselt und wegbeschleunigt, lautes Scheppern akustisch abgestrahlt, der Airbag gezündet, mechanische Verformungsenergie wird an Autoblech, Frontglasscheibe sowie am Fahrer sehr hässliche Spuren hinterlassen, Klimaanlagen- und Benzinleitungen werden brechen, elektrische Kurzschlüsse Funken erzeugen, die austretendes Benzin entzünden.
Willkommen beim Crash-Kurs! NatĂĽrlich stellt sich da die Frage: Mit welchem Energiebetrag krachte das Autogeschoss gegen die Mauer? Keine Panik, es ist ganz einfach, wenn man sich zuvor klarmacht, wie Energie eigentlich gemessen wird.
Alles ist Joule
Die Einheit der Energie wurde nach dem bereits erwähnten James Prescott Joule benannt. Die verschiedensten Energieformen (sieht man von der sprirituellen und der kriminellen Energie ab) lassen sich über diese physikalische Einheit auf einen Nenner bringen – ob es sich um den Energiegehalt eines Dinkelbrots oder die Bewegungsenergie eines Geschosses handelt, die entscheidet, ob eine Kartoffelkanone unter das Waffengesetz fällt oder nicht.
Die Einheit Joule ist aus den SI-Basiseinheiten (Système International d’Unités) abgeleitet. 1 Joule [J] = 1 Wattsekunde [Ws] = 1 VoltAmpèreSekunde [VAs] = 1 Newtonmeter [Nm] = 1 kg · m2/s².
Um in größeren Dimensionen leichter rechnen zu können, hat man Multiplikationsfaktoren für die Energiemengen (Kilo k, Mega M etc.) und für die Zeit eingeführt (Stunde h, Jahr a). So gilt unter anderem nach der Definition oben: 3,6 Megajoule (MJ) = 1 Kilowattstunde (kWh).Die Energie ist dabei der gleichzusetzen physikalischen Arbeit. Wagen wir einen Vergleich:
Hätte Eva im gezeigten Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren den (geschätzt) 102 Gramm schweren Apfel vom Boden auf 1,50 Meter hochgehoben, hätte sie eine Hubarbeit von 1,5 Joule verrichtet. Der Apfel in 1,50 Meter Höhe hat nun in Bezug auf den Erdboden eine potenzielle Energie von 1,5 Joule, denn die Formel zur Berechnung der potenziellen Energie lautet:
Epot = m · g · h [Nm]
mit h: Höhe in Meter (1,5 m), g: Erdbeschleunigung (9,81 m/s²) sowie m: Masse des Apfels in Kilogramm (0,102 kg).
Lässt Eva den Apfel fallen, wird er beschleunigt und hat beim Auftreffen am Erdboden eine Bewegungsenergie von 1,5 Joule. Denn Epot ist in den gleichen Betrag Ekin umgewandelt worden (nach dem Energieerhaltungssatz). Die kinetische Energie berechnet sich so:
Ekin = 1/2 · m · v² [kg m2/s²]
mit m: Masse in Kilogramm und v: Geschwindigkeit in Meter pro Sekunde.
Mit dieser Formel kann man auch berechnen, mit welcher Energie das oben erwähnte Autogeschoss in die Mauer gedonnert ist:
m = 2500 kg, v = 180 km/h = 50 m/s, Ekin = 3.125.000 Joule – also 3,125 Megajoule. Natürlich lässt sich auch die Geschwindigkeit berechnen, mit der der Apfel aufschlägt: v = 5,42 m/s.
Vielfach findet man besonders auf Lebensmittelverpackungen die Einheit Kalorie, dabei gilt: 1 cal = 4,186 Joule. Wenn Sie beispielsweise 100 ml Cherry Cola trinken, nehmen Sie eine Energiemenge von 42 Kilokalorien, also rund 175.000 Joule zu sich. Da müssen Sie ganz schön viele Äpfel aufheben, um diese Energiemenge wieder abzuarbeiten! Wer die genaue Zahl im Kopf ausrechnet, kann sich einige Äpfel sparen, denn Denken verbraucht eine Menge Energie. Dieser Gedanke gibt schon einen Hinweis darauf, wie die scheinbare Diskrepanz zustande kommt, rechnet man spaßeshalber die Aufprallenergie des SUV in Cherry Cola um – und kommt nur auf rund 1,8 Liter!
Dazu muss man wissen, dass in chemischen Stoffen unglaubliche Energiemengen versteckt sein können und dass der menschliche Körper den hohen Energiebedarf von rund 12.000 kJ täglich für Grundumsatz und Aktivitäten hat: Einfach nur dafür, seine Temperatur, die Muskelaktivitäten, den Kreislauf und den Stoffwechsel aufrecht zu erhalten – und zu denken! Für alles zusammen ist eine Leistung von rund 140 Watt nötig – so viel, wie Ihr Flachbildschirmfernseher aufnimmt. Apropros Leistung: Die ist nicht mit der Energie zu verwechseln, sondern Leistung ist die in einer bestimmten Zeit verrichtete Arbeit. Leistung ist Energie geteilt durch die Zeit und hat die nach James Watt benannte Einheit Watt. In Ihrer Stromrechnung bezahlen Sie nicht die Leistung Ihrer Geräte in Kilowatt, sondern die damit in einer bestimmten Zeit geleistete Arbeit, etwa in Kilowattstunden [kWh].
Im Folgenden wollen wir ein wenig Hintergrundwissen rund um die Energie vermitteln, aber vor allem auch praktische oder zumindest inspirierende Anregungen fĂĽr Sie als Maker geben. Doch zuvor gehen wir der Frage auf den Grund, wo die Energie auf der Erde eigentlich herkommt.