Blockchain statt Anwalt

Rechtsdienstleister in den USA nutzen zunehmend Smart Contracts, um den juristischen Alltag ihrer Kunden zu automatisieren.

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Blockchain statt Anwalt

(Bild: MS. TECH)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Mike Orcutt
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Viele Menschen in den Vereinigten Staaten und anderswo nutzen bereits Onlinedienste für rechtliche Aufgaben, um die Kosten für einen echten Anwalt zu sparen – etwa zur Erstellung von Verträgen. Solche Anbieter machen es insbesondere für Einzelpersonen und kleine Firmen leichter, ihr Recht besser durchzusetzen oder dafür zu sorgen, dass sie für eine Leistung auch bezahlt werden.

Zwei große US-Player in diesem Markt, Rocket Lawyer und LegalZoom, wollen in ihrem Bereich nun auch die Blockchain-Technik einsetzen und experimentieren dazu mit sogenannten Smart Contracts. Zumindest theoretisch könnten diese dabei helfen, echte Kontrakte zu automatisieren und Rechtsdienstleistungen für die breite Bevölkerung zu erleichtern und billiger zu machen. Die Mission von Rocket Lawyer sei es, mittels Technik "den Zugriff auf Gerechtigkeit" zu erweitern, sagt Unternehmenschef Charley Moore.

Smart Contracts sind Computerprogramme, die in Blockchain-Netzwerken laufen und dazu verwendet werden können, Bezahlvorgänge zu automatisieren, die oftmals zentraler Bestandteil rechtlicher Abkommen sind. Die Blockchain soll dabei alle Rechte und Pflichten der Vertragspartner erfassen und dann automatisch Zahlungen starten, wenn die Smart Contracts fortschreiten. Komplizierte und teure Offline-Überweisungen sollen so vermieden werden.

Der Rocket-Lawyer-Dienst erlaubt es Nutzern, Verträge zu erstellen und zu unterschreiben, doch das, was laut dem Vertrag rechtlich zu tun ist, wird zumeist offline verwaltet. Beispielsweise erklärt sich ein Unternehmen bereit, einem freien Mitarbeiter eine Summe X für einen spezifischen Job oder die Ablieferung einer bestimmten Arbeit zu einer bestimmten Zeit zu bezahlen. Ein Smart Contract würde diesen Teil der Vertrages, die Leistungserbringung, vereinfachen, sagt Moore. Wenn das funktioniert, wäre es ein mächtiges Werkzeug für Vertragsarbeiter, Kleinunternehmer und andere, die es manchmal schwer haben, Arbeitgeber dazu zu bringen, rechtzeitig zu bezahlen oder ihren sonstigen vertraglichen Pflichten zu folgen.

Rocket Lawyer nennt bislang keine technischen Details, eine private Beta für ein Programm namens Rocket Wallet ist aber bereits gestartet. Das ist laut der Firma eine Plattform für die "Ausführung und die Bezahlung rechtlich bindender Verträge, basierend auf der Ethereum-Blockchain". Damit das technisch funktioniert, arbeitet Rocket Lawyer mit einem Blockchain-Start-up namens OpenLaw und einer auf Ethereum spezialisierten Investmentfirma namens ConsenSys zusammen. Das fertige Produkt soll bis Ende des Jahres bereitstehen.

Unterdessen arbeitet LegalZoom, der größte Wettbewerber von Rocket Lawyer, an einer eigenen Smart-Contract-Technik in Zusammenarbeit mit einem Start-up namens Clause. Eine weitere Neugründung namens Monax testet derzeit ein privates Blockchain-Netzwerk, das sich auf Unternehmer und Freelancer im kreativen Bereich konzentriert.

Gemeinsames Ziel all dieser Projekte ist es, ein "rechtliches Protokoll" für Blockchains zu schaffen, wie Aaron Wright, Mitbegründer von OpenLaw, sagt. Blockchains gäben den Nutzern eine bislang nicht vorhandene Macht an die Hand, Güter sicher und ohne Zeitverzögerung um den Erdball zu schicken. Doch ohne rechtliche bindende Vereinbarungen spielten sie in der echten Welt kaum eine Rolle.

Doch trotz der rechtlichen Sinnhaftigkeit von Smart Contracts gibt es noch eine ganze Reihe von praktischen Problemen. So wollen viele Firmen ihre Verträge geheim halten, während Blockchains eigentlich transparent sind. Wright zufolge umgeht OpenLaw dies, in dem Vertragsbeweise in einem Bereich gespeichert werden, der sich Secure Execution Environment (SEE) nennt, ein Stück Software, das von der öffentlichen Ethereum-Blockchain getrennt ist.

Die Vertragsparteien können das SEE signieren und das System speichert dann einen Beweis, dass es signiert wurde, in der Blockchain, ohne dass die darunterliegenden Informationen verraten würden. So lassen sich Smart Contracts auch kündigen.

Blockchains sind nicht für alle rechtlichen Situationen geeignet. Zu den Dingen, die sich objektiv in einer Blockchain nachvollziehen lassen, gehören Kontostände, der Besitz eines bestimmten digitalen Tokens oder Informationen aus der realen Welt, die durch eine Drittanbieterquelle eingeführt werden, ein sogenanntes Orakel.

Weiterhin ist es nicht ganz einfach, Smart Contracts zu schaffen, ohne dass Fehler eingefügt werden. Forscher arbeiten noch immer an Methoden, Lücken zu finden, bevor dies Hacker tun. Schließlich sind Kryptowährungen selbst für viele Nutzer schwer zu verwenden – und sie schwanken im Preis.

Moore betont daher, dass das neue Kryptoprodukt von Rocket Lawyer Nutzer gar nicht erst mit der Blockchain oder Kryptowährungen in Verbindung bringen muss. Das funktioniere alles im Hintergrund. "Wir bringen kein Produkt heraus, das von unseren Usern verlangt, sich mit Krypto auszukennen. Das ist nicht unsere Zielgruppe."

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