Per App gegen die Opioid-Epidemie

In den USA sterben immer mehr Menschen den Drogentod. Eine neue Anwendung kann prüfen, ob eine Überdosis vorliegt.

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Per App gegen die Opioid-Epidemie

Gefälschte Tabletten, die Fentanyl enthalten.

(Bild: DEA / PD)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Charlotte Jee
Inhaltsverzeichnis

Die aktuelle Opioid-Krise in den Vereinigten Staaten tötet pro Tag 115 Amerikaner, wobei der Stoff Fentanyl mit Abstand der häufigste Killer ist. Aufs Jahr gerichtet sind Drogen in den USA inzwischen tödlicher als Waffengewalt oder Autounfälle.

Doch wird eine Überdosis rechtzeitig erkannt, lässt sie sich nahezu immer behandeln. Eine neue Smartphone-App soll nun helfen, Leben zu retten, indem sie Menschen identifiziert, die zu viel eines Rauschmittels eingenommen haben – und dann automatisch Familie oder Rettungsdienste kontaktiert.

Das System wurde von Forschern an der University of Washington entwickelt und macht aus einem Telefon quasi ein Sonargerät, indem der eingebaute Lautsprecher und das Mikrofon verwendet werden. Ein Algorithmus analysiert die Rate der reflektierten Klangwellen, um zu identifizieren, ob die Atmung sich verlangsamt hat oder sie stoppt (Apnea) und ob sich eine Person nicht mehr bewegt. All dies können Anzeichen dafür sein, dass eine Überdosis begonnen hat.

Das System wurde bereits mit 194 Probanden getestet, dabei kamen Heroin, Fentanyl und Morphium zum Einsatz, die an einer überwachten Drogenstube in Vancouver gespritzt oder eingenommen wurden. Die Apnea-Rate wurde mit einer Genauigkeit von 97,7 Prozent erkannt, langsame Atmung mit 89,3 Prozent. Alle Teilnehmer, die überdosiert hatten, wurden vor Ort wiederbelebt.

Mit der App war es außerdem möglich, 19 von 20 simulierte Überdosierungen zu erkennen, wobei Anästhesisten das Problem simulierten. Die Forschungsergebnisse wurden in "Science Translational Medicine" publiziert.

"Die Nutzer müssen einfach nur die App aktivieren, einen Knopf drücken und ihre Atmung wird überwacht. Sollte es Schwierigkeiten geben, werden ihnen nahestehende Personen kontaktiert", so Forschungsteammitglied Rajalakshmi Nandakumar. In den Tests befand sich das Telefon jeweils einen Meter von den Drogensüchtigen weg und die App konnte sich automatisch anpassen, wenn sich das Telefon bewegte oder sich die Haltung des Nutzers änderte.

In einem nächsten Schritt will das Team die App mit dem Notruf verbinden, damit Retter bei Überdosierungen so schnell wie möglich vor Ort sind. Außerdem wurde eine Lizenz von der amerikanischen Gesundheitsaufsicht FDA beantragt, damit die Technik in eine Spin-off-Firma übertragen werden kann.

Drogennutzer mochten die App, so Nandakumar. Das habe sich auch in Nachfolgestudien gezeigt – und liege vor allem daran, dass sie keinen Kamerazugriff benötigt und auch nichts speichert. Die Privatsphäre bleibe geschützt.

"Die große Mehrheit der Leute, die wir befragt haben, würden sie einsetzen wollen. Weisen sie ein Hochrisikoverhalten auf? Ja. Doch sie wollen es wenigstens so sicher wie möglich tun", sagt die Forscherin.

Die Herausforderung besteht nun darin, die App bekannt zu machen in ihrer Zielgruppe, wie Traci Green, Juniorprofessorin an der Brown University, meint, die sich auf das Thema Vorbeugung von Überdosierungen bei Opioiden spezialisiert hat.

"Man muss außerdem sicherstellen, dass die App auf einem Telefon läuft, das noch genug Akkuleistung und hat und ein Zugriff auf einen Datentarif besteht." Die Frage sei nun, welchen Zugriff auf Technik die Leute benötigten, um diese "großartige Idee" in die Realität umzusetzen.

(bsc)