Elektrische Nanopartikel zappen Krebs weg

Forscher wollen Tumorzellen künftig mit Strom und Ultraschall direkt angehen.

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Elektrische Nanopartikel zappen Krebs weg

(Bild: Dr. Cecil Fox / National Cancer Instiute / Wikimedia Commons)

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Eine Möglichkeit, Krebszellen zu zerstören, ist deren Beschießung mit wenig intensiver Wechselspannung. Dies behindert den Fluss von Kalzium- und Kalium-Ionen aus den Zellen hinein und hinaus – ein Prozess, der so wichtig ist, dass sie eingehen.

Das Problem bei diesem Ansatz: Gesunde Zellen sind genauso anfällig für Ionenkanalunterbrechungen wie Krebszellen, entsprechend tötet eine solche Behandlung sowohl gesunde als auch Tumorzellen. Benötigt würde daher eine Methode, mit der sich die Behandlung auf Krebszellen fokussieren ließe, ohne dass die gesunden Zellen angegriffen würden.

Attilio Marino vom Istituto Italiano di Tecnologia und Enrico Almici von der Polytechnischen Universität Turin haben zusammen mit weiteren Kollegen in Italien nun eine Methode entdeckt und entwickelt. Sie verwenden piezoelektrisch arbeitende Nanopartikel, die Strom innerhalb des Körpers erzeugen, wenn sie wiederholt mit Ultraschall komprimiert werden. Es gibt erste Belege dafür, dass sich diese Methode in eine effektive Krebsbehandlung verwandeln ließe.

Die Technik ist zumindest theoretisch einfach: Piezoelektrische Materialien generieren eine Ladung, wenn sie zusammengedrückt werden (und verändern wieder ihre Form, wenn eine Spannung angelegt wird). Dies lässt sich in vielen Bereichen verwenden, etwa in Mikrofonen oder Motoren.

Marino und seine Kollegen wollen nun biokompatible Nanopartikel in den Körper injizieren und diese dann mit Ultraschall bombardieren. Der hohe und niedrige Druck, der mit Ultraschall einhergeht, könnte die Nanopartikel dazu bringen, eine Ladung zu generieren, die die Ionenkanäle disruptiert und die Krebszellen schließlich töten. Dabei kommen Barium-Titanat-Nanopartikel zur Verwendung, die als biokompatibel gelten, weil sie kein Blei enthalten.

Das Team entwickelte dann eine wichtige Methode zur Zielfindung im Körper. Die Nanopartikel müssen so gestaltet sein, dass sie sich an die Krebszellen ahängen, ohne die anderen gesunden Zellen anzugehen. Damit das funktioniert, werden sie mit einem Kunststoffpolymer überzogen und einer Beschichtung versehen, die Antikörper aufweist, die sich an die Rezeptoren binden, die mit bestimmten Krebsarten in Verbindung stehen.

In diesem Fall konzentrierten sich die Forscher auf einen aggressiven Hirntumor genannt Glioblastoma Multiforme. Die Membranen dieser Zellen bilden Transferrin-Rezeptoren aus, im Gegensatz zu den meisten gesunden Zellen. Entsprechend beschichteten die Forscher die Nanopartikel mit Transferrin-Antikörpern, die an Transferrin-Rezeptoren binden. Das macht aus den Nanopartikeln quasi zielgelenkte "Raketen", deren Ziel nur Krebszellen sind.

Die Nanopartikel müssen auch die Blut-Hirn-Schranke passieren, ein wichtiger Faktor bei der Behandlung von Hirntumoren. Nanopartikel können dies, wenn sie klein genug sind. Entsprechend wählte das Team Partikel mit einem Durchmesser von 300 Nanometern, was sich im Größenrahmen bewegt, der die Schranke noch überwinden kann.

Marino und sein Team testeten ihren Ansatz im Labor, ließen Hirntumore wachsen und überzogen sie so, dass eine endotheliale Barriere entstand, die der Arbeit der Blut-Gehirn-Schranke ähnlich ist. Die Forscher maßen dann, wie viele Nanopartikel durch die Barriere kamen. Anschließend bombardierten sie Proben mit Ultraschall und gaben einen typischen Chemotherapiewirkstoff namens Temozolomid.

Das Ergebnis: Die Nanopartikel konnten die Krebszellen mit relativer Leichtigkeit penetrieren. Angekommen und mit Ultraschall bombardiert, erhöhte sich die Effektivität von Temozolomid erheblich. Sowohl chemische als auch elektrophysische Ansätze könnten die Behandlung von Hirntumoren künftig verbesseren. "Die chronische piezoelektrische Stimulation in synergetischer Kombination mit einer untertoxischen Konzentration von Temozolomid gab eine erhöhte Empfindlichkeit auf die Chemotherapiebehandlung und einen erstaunlichen Anti-Krebs-Effekt", so Marino und sein Team.

Einige Probleme gibt es allerdings noch. So war das Modell der Forscher relativ einfach und der Körper und dessen Verhältnisse sind signifikant komplexer. Deshalb sind nun komplexere Modelle und schließlich Lebenduntersuchungen geplant. Weiterhin soll mit den Formen und Größen der Nanopartikel experimentiert werden, um zu überprüfen, ob sich der piezoelektrische Effekt besser kontrollieren lässt.

All das hat das Potenzial, auch mikroskopische Tumorreste zu zerstören, die derzeit noch der Hauptgrund dafür sind, dass Erkrankungen nach Operationen zurückkommen. Bis dahin wird es noch einige Zeit brauchen, doch die Nanomedizin zeigt schon einmal ihr Potenzial.

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