Dröhnende Leere

Kommentar: Scheuer und sein Bahn-Krisentreffen

Die Deutsche Bahn hat viele Baustellen, im direkten wie im übertragenen Sinne. Verkehrsminister Scheuer will diese nun kraftvoll angehen und hat den Bahnvorstand zu einem Krisentreffen einbestellt. Das Ergebnis zeugt aber nicht von Kraft, sondern Aktionismus. Ein Kommentar

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 20 Kommentare lesen
Klartext 5 Bilder
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Kaum etwas scheint so einfach wie ein kräftiges Treten gegen die Deutsche Bahn. Verspätungen, schlechte Informationspolitik gegenüber den Kunden, verdreckte und überfüllte Züge, intransparente Ticketpreise, unfreundliches Personal – die Liste der Klagen ist ebenso lang wie teilweise berechtigt und so wundert es nicht, dass Kritiker der Bahn wahrlich nicht schwer zu finden sind. Ein Politiker, der dies alles und noch viel mehr anprangert, kann sich also auf breite Zustimmung der Wähler ziemlich sicher verlassen. Doch schon bei geringfügig näherer Betrachtung bekommt das große Krisentreffen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und dem Bahnvorstand mehr als nur einen faden Beigeschmack.

Prima!

Für eine maximale, mediale Wirkung muss ein zünftiger Theaterdonner natürlich mehrere Akte haben. Darauf ist Verlass, und so donnerte es schon vor Wochen: Der Verkehrsminister bestellt den Bahnvorstand ein, um ihm angesichts der Verhältnisse bei der Bahn die Leviten zu lesen. Man erwarte konkrete Vorschläge, wie die aktuelle Situation zu verbessern sei. „Prima“, hallt es aus dem Bierzelt, „endlich ein Minister, der sich kümmert.“ Wessen Aufmerksamkeitsspanne nicht weiter reicht, kann sich nun entspannt zurücklehnen. Vermeiden sollte er jedoch tunlichst, sich die Ergebnisse der gestrigen Vorladung und die Vorgeschichte dazu einmal etwas näher anzusehen.

Der Beginn des Dramas

Der Beginn des Dramas ist keineswegs geheim, sondern liegt offen für jeden, der es betrachten mag. Anfang der 1990er-Jahre sah sich die Politik zu einer Reaktion auf sinkende Fahrgastzahlen bei der Bahn genötigt. Der Staatsbetrieb sei nicht effizient genug, und ganz im Trend der Zeit wurde gemäß eines möglichst schlanken Staates der Plan gefasst, die Deutsche Bahn langfristig zumindest teilweise zu privatisieren. Um die gar nicht so attraktive Braut geschickt zu schminken, sollte vor einem Börsengang gespart werden. Und zwar kräftig, denn eine hübsche Bilanz ist Garant für willige Aktienkäufer.

Auswringen

Es mangelte nicht an Kritikern, die schon damals darauf hinwiesen, dass sich aus keineswegs üppigen Budgets nicht einfach ein paar 100 Millionen DM – oder gar noch mehr – per Spardekret wringen lassen, um die Angelegenheit für Anleger erstrebenswert zu gestalten. Doch der Glaube daran, dass ein gewinnorientierter Unternehmergeist grundsätzlich besser wirtschaftet als der Staat, ist ebenso falsch wie umgedreht. Es gibt in dieser Hinsicht keinen Königsweg, und wenn es einen geben sollte, hat die Bahn zuverlässig eine andere Route gewählt. Gespart wurde bei Personal, Infrastruktur und was sich sonst noch finden ließ. Gut bezahlte Gutachter bescheinigten dann immer wieder, was die Verantwortlichen hören wollten: „Die Bahn ist auf einem erfolgversprechendem Weg.“ Wohin der führen sollte, ließen sie geschickt offen.

Langfristige Folgen dieses Sparkurses sind nicht so schrecklich schwer abzusehen, zumal dann nicht, wenn man einerseits die Altlasten der Deutschen Reichsbahn abzuwickeln und gleichzeitig mit Gewalt einige Leuchtturmprojekte forcieren möchte. Denn in einem so komplexen Gebilde wie der Bahn hat es dramatische Folgen, wenn an einer Stelle die Schrauben übermäßig angezogen werden. Anders ausgedrückt: Wenn ich einige Stellen übermäßig beleuchte, bleiben andere eben dunkel. Das Geld reicht nicht, um alles gleichmäßig zu beleuchten. Es reicht systembedingt ohnehin nie, die Frage ist vielmehr, wie der Mangel geschickt zu verwalten ist. Projekte wie der Berliner Hauptbahnhof oder der umstrittene Bahnhof in Stuttgart verschlingen Unsummen, die anderswo eingespart werden müssen.