Copyright-Reform: EU-Rat tritt abrupt auf die Bremse

Der EU-Ministerrat blockiert die geplante EU-Urheberrechtsreform auf der Zielgeraden: Elf Mitgliedsstaaten haben sich ĂĽberraschend quergelegt.

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Blaues Schild "Is copyright a little fuzzy?" mit unscharfem Copyright-Symbol

(Bild: Elias Bizannes CC BY-SA 2.0)

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Inhaltsverzeichnis

In der seit 2016 geführten Schlacht um die EU-Copyright-Reform gibt es eine unerwartete Wende: Der Ministerrat konnte sich am Freitag nicht auf eine gemeinsame Linie für den Endspurt zu der geplanten Richtlinie einigen. Das Gremium der Mitgliedsstaaten erteilte so der neuen rumänischen Ratspräsidentschaft nicht das erforderliche Mandat für den Abschluss der Trilogverhandlungen mit dem EU-Parlament und der Kommission. Die vorgesehene abschließende Gesprächsrunde am Montag ist damit geplatzt, der weitere Fahrplan in Gefahr.

Elf EU-Länder haben sich gegen den jüngsten Kompromissvorschlag (PDF-Datei) der Rumänen ausgesprochen, den diese am Donnerstag vorgelegt hatte. Dies berichtet die Politikerin der Piratenpartei Julia Reda, die sich der Fraktion der Grünen im europäischen Parlament angeschlossen hat und für diese beim Trilog dabei ist. Neben Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Finnland und Slowenien, die bereits vorab skeptisch waren, stimmten demnach auch Italien, Polen, Schweden, Kroatien, Luxemburg und Portugal gegen die skizzierte Verhandlungsposition.

Größter Stein des Anstoßes waren die Artikel 11 und 13 des Entwurfs, in denen es um ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet sowie die mögliche neue Haftung von Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten wie YouTube, Vimeo oder Facebook geht. Praktisch hätte das zunächst vorgesehene Regime die Portalbetreiber dazu gezwungen, Lizenzen von Rechteinhabern zu erwerben oder die gefürchteten Upload-Filter einzuführen.

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Eigentlich hatten die beteiligten EU-Gremien geplant, am Montagabend einen Deal präsentieren zu können. Dieser hätte dann nur noch vom federführenden Rechtsausschuss und dem Plenum des Parlaments sowie vom Rat formal bestätigt werden müssen. Zunächst war sogar vorgesehen, schon Mitte Dezember eine Einigung noch unter der damaligen österreichischen Ratspräsidentschaft zu erzielen. Doch aus daraus war nichts geworden.

Für Reda ist es nun "ein ganzes Stück unwahrscheinlicher geworden, dass die Verhandlungen über die Urheberrechtsrichtlinie noch vor den Europawahlen im Mai zu einem Abschluss kommen". Damit habe auch "die öffentliche Aufmerksamkeit für die Gefahren der Urheberrechtsreform" Wirkung gezeigt. Die Rumänen können jetzt zwar noch einmal versuchen, die nationalen Regierungen auf eine gemeinsame Position einzuschwören und dafür eine qualifizierte Mehrheit zu finden. Da sie mit immer mehr Gegenwind aus den unterschiedlichsten Lagern zu kämpfen haben, dürfte dies aber eine Herkulesaufgabe werden.

Die Länder, die gegen das Verhandlungsmandat waren, sind laut Reda "für eher kritische Positionen zu Artikel 11 oder 13 bekannt", weil sie die Rechte der Internetnutzer nicht hinreichend geschützt sehen. So hatte sich die hiesige schwarz-rote Koalition in ihrem Vertrag voriges Jahr gegen Upload-Filter, aber zugleich für eine bessere "Stellung von Rechteinhabern gegenüber Internetprovidern" ausgesprochen.

Die rumänische Ratsspitze war diesen Kritikern mit ihren jüngsten Kompromissvorschlagen schon recht weit entgegengekommen. So sollten Inhalteproduzenten wie YouTuber etwa gegenüber "Sharing-Plattformen" nachweisen können, dass sie selbst Rechte an verwendeten Materialien besitzen beziehungsweise erworben haben. Dieser Content hätte dann quasi von vornherein freigeschaltet werden können.

Für hochgeladene Inhalte, bei denen die Rechtesituation zunächst unklar ist, machten sich die Rumänen für einen "spezifischen Haftungsmechanismus" stark. Die Plattformbetreiber sollten demnach in Kooperation mit den Rechteinhabern und im Einklang mit gängigen Industriestandards "alles in ihrer Macht Stehende tun", um die Verfügbarkeit nicht autorisierter Werke und anderer Inhalte zu verhindern, die die Rechteverwalter als eigene ausgewiesen haben. Letztere hätten die Provider dafür zunächst mit einschlägigen "relevanten Daten" über die Gültigkeit ihrer Ansprüche versorgen müssen, was die Ratsposition vom Mai so noch nicht vorsah.

Prinzipiell legen auch diese Formulierungen den Einsatz von Upload-Filtern nahe. Für die Rechteinhaber würden sie aber mehr Aufwand bedeuten im Gegensatz etwa auch zu der vom Parlament zunächst vorgesehenen pauschalen Haftung für rechtswidrig hochgeladene Inhalte. Zudem drängte die Ratspräsidentschaft darauf, eine Ausnahmeklausel für kleine und mittlere Portalbetreiber einzuführen. Dafür hatten zwar auch schon die Abgeordneten gestimmt. Ihr Verhandlungsführer, Axel Voss (CDU) hatte diese Bestimmung im Trilog aber zur Disposition gestellt. Nicht zuletzt plädierten die Rumänen für eine Möglichkeit für Nutzer, die beliebten Internet-Memes beziehungsweise Parodien erstellen zu dürfen.

Den Rechteinhabern ging diese Kompromissbereitschaft nebst einem solchen Mini-Recht auf Remix schließlich zu weit. Zunächst erklärten vor allem Unternehmen und Verbände der Film- und Fernsehwirtschaft, dass sie Artikel 13 nur ganz oder gar nicht mit voller Haftung beziehungsweise Upload-Filtern haben wollten. Am Donnerstag unterstrichen dann auch diverse Produzentenvereinigungen unter Einschluss des weltweiten Dachverbands der Musikindustrie (IFPI), dass der rumänische Entwurf "nicht das ursprüngliche Ziel von Artikel 13 abdeckt" und dringend umfassend geändert beziehungsweise wiederhergestellt werden müsse.

Vor allem die Musikwirtschaft sollte ursprünglich der größte Nutznießer der Reform sein. Sie beklagt seit Langem eine große Lücke zwischen den gigantischen Werbeeinnahmen von Online-Plattformen wie YouTube und den vergleichsweise bescheiden ausfallenden Vergütungen für die Künstler und Produzenten ("Value Gap"). Die Rechteinhaber wollen mit ihrer Distanz zu einem "verwässerten" Artikel 13 aber keineswegs auf mehr Geld verzichten. Sie setzen nun jedoch offenbar vor allem auf eine anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu ihren Gunsten in einem Fall zur Haftung von Online-Plattformen wie YouTube, den der Bundesgerichtshof (BGH) vorgelegt hat (C-682/18). (tiw)