Stimme verrät Charakterzüge

Erste Unternehmen lesen aus Sprache und Stimme die Persönlichkeit ihrer Kunden – und schneiden die Angebote darauf zu.

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Was die Stimme verrät

(Bild: Aston University)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Eva Wolfangel

Wenn ein Callcenter den Hinweis „Ihr Gespräch wird zur Verbesserung der Servicequalität aufgezeichnet“ abspielt, ist zumindest vorsichtiges Misstrauen angesagt. Erste Unternehmen leiten daraus Informationen über Persönlichkeitsmerkmale oder Emotionen ab. Ihr Ziel ist unter anderem ein treffenderes Marketing.

Ein großes Interesse besteht bei Unternehmen, die Kundenservice anbieten und wissen wollen, wie ihre Kunden sich fühlen angesichts personalisierter Werbung oder eines Callcenter-Anrufs, sagt Sprachforscher Max Little von der Aston University in Birmingham gegenüber Technology Review. Wie das Magazin in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, hat auch die deutsche Sprachanalysefirma Precire den Marketingansatz bereits getestet. „Auf Basis einer Studie bei einem Mobilfunkanbieter können wir belegen, dass Reaktionen auf Mailings und der anschließende Verkaufserfolg gesteigert werden, wenn die Kundenkommunikation mit Precire nach psychologischen Merkmalen analysiert und optimiert wird“, sagt Geschäftsführer Peter Klingspor. Er gab jedoch keine Auskunft darüber, um welchen Anbieter es sich handelt.

TR 2/2019

Technology Review Februar 2019

Dieser Beitrag stammt aus Ausgabe 2/2019 der Technology Review. Das Heft ist ab 24.01.2019 im Handel sowie direkt im heise shop erhältlich. Highlights aus dem Heft:

Im Markt ist das Unternehmen bereits mit einer Software, die Persönlichkeitsprofile von Bewerbern und Mitarbeitern erstellt. Die Idee ist, die passende Besetzung für offene Stellen zu finden. Dazu benötigt Precire 15 Minuten Sprachmaterial. Anschließend vergleicht es die Sprachdaten mit denen von 5000 Probanden, die psychologisch vermessen wurden.

Die Software wertet unter anderem den Text aus, die verwendeten Wörter sowie die Sprachgeschwindigkeit. Begriffe wie „Problem“, „schwierig“ oder „kalt“ deuten auf Negatives hin, erklärt Philipp Grochowski von Precire. Hinzu kommen Faktoren wie die Tonhöhe, die Art, Laute zu bilden, oder die Lautstärke. Am Ende verrät das Programm beispielsweise, wie gut organisiert der Sprecher ist, ob er emotional ausgeglichen, verträglich, kontakt- und risikofreudig ist, wie hoch Autonomiebedürfnis und Leistungsfähigkeit sind und ob er Wert auf Status und Dominanz legt.

Die Technologie hat eine wissenschaftliche Grundlage. „Man kann die Persönlichkeit sehr gut und einfach anhand von Sprachdaten auswerten“, sagt die Informatikern Julia Hirschberg von der Columbia University in New York. Sie beschäftigt sich seit 1985 mit der computergestützten Verarbeitung von Sprache, unter anderem für das US-amerikanische Heimatschutzministerium und die US-Luftwaffe. Schon fünf Minuten eines Gesprächs genügen ihr zufolge, um Menschen mit hoher Genauigkeit in die Big-Five-Kategorien einzuteilen – die fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit. Dass Precire am Ende tatsächlich weiß, wie ungeduldig, offen und organisiert jemand ist, hält sie für glaubhaft.

Große Firmen wie Thalanx-Konzern, die Fraport AG und RWE setzen die Technologie bereits in Vorstellungsgesprächen und zur Personalentwicklung. Die Nachfrage sei enorm groß, sagt Grochowski: „Sie erfahren so mehr über einen Menschen, als sie im normalen Gespräch erfahren würden.“

Mehr zur Stimmanalyse lesen Sie in der neuen Februar-Ausgabe von Technology Review (im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich). (anwe)