"Kidults": Spielwarenbranche setzt auf erwachsene Spielkinder

Auch Erwachsene spielen gerne und geben dafür viel Geld aus. Das macht sie für die Spielwarenindustrie interessant.

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"Kidults": Spielwarenbranche setzt auf erwachsene Spielkinder
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Aleksandra Bakmaz
  • dpa

Der Malbuch-Trend hat es schon gezeigt: Eine neue Zielgruppe kann ein eingestaubtes Produkt zu neuem Leben erwecken. Statt Yoga entdeckten Männer und Frauen vor wenigen Jahren Stift und Papier für sich und gegen den Alltagsstress. Malbuch- und Stiftehersteller frohlockten auch in Deutschland. Was ursprünglich als Produkt für Kinder gedacht war, boomte auch in der Erwachsenenwelt. Ähnliches erhofft sich die Spielwarenbranche und setzt auf die Zielgruppe "Kidults" – erwachsene Spielkinder.

Für die Nürnberger Spielwarenmesse, die an diesem Mittwoch beginnt, hat ein internationales Komitee die erwachsene Zielgruppe als eines der drei wichtigsten globalen Trend-Themen identifiziert. Laut Joachim Stempfle, Spielwarenexperte beim Marktforschungsunternehmen NPD-Group, gibt es auch in Deutschland diesen Trend. Etwa bei ferngesteuerten Spielzeugdrohnen. "Das kaufen auch Erwachsene für sich", sagt der Experte. Die von Erwachsenen bevorzugten Spielwaren hätten meist eine Verbindung zum Technischen. Sie würden vor allem von Männern gekauft. Die Konsumenten seien oft auch bereit, etwas mehr Geld für die Spielsachen zu bezahlen.

"Erwachsene haben schon immer gespielt, und spielen auch heute noch viel und gerne", sagt Spielzeugforscher Volker Mehringer von der Universität Augsburg. Dies sei eigentlich nichts Neues. Klassisch stelle man sich da den Familienvater mit der Modelleisenbahn im Hobbykeller vor. Prominenter Modelleisenbahnbesitzer ist Horst Seehofer. Aber auch Gesellschaftsspiele seien gerade bei Erwachsenen beliebt.

Was aber neu sei: "Es ist sozial anerkannter, wenn man spielt", so Mehringer. Das Phänomen werde mit Blick auf neue Käuferschichten gerade mehr ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, weil es eine Perspektive für den Handel sei. Der hat mit der Digitalisierung zu kämpfen und konkurriert seit geraumer Zeit mit TV, Internet und Spielkonsolen.

Spielen sei nichts, was nur bei Kindern funktioniere, sagt Mehringer. Es sei eine Art Ausgleich zum stressigen Alltag mit viel Arbeit oder forderndem Familienleben. "Man kann abschalten und sich auf etwas anderes konzentrieren, etwa wenn man so einen Lego-Todesstern zusammenbaut", sagt der Forscher.

Der dänische Spielwarenhersteller Lego setzt seit Jahren auf den Trend. Die erwachsene Zielgruppe hat sogar einen eigenen Namen: Afol, "Adult Fan of Lego" (erwachsener Lego-Fan). Für Afols gibt es bei Lego komplexere Sets – etwa ein Schaufelradbagger mit rund 3900 Teilen oder eben den Todesstern mit rund 4000 Teilen. Die Hingucker kosten Hunderte Euro und landen später oft in Vitrinen oder auf Schreibtischen.

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Auch Playmobil setzt nun auf die Kaufkraft von Erwachsenen. "Wir werden dieses Jahr ganz neu eine Figur für Sammler herausbringen, die doppelt so groß ist wie klassische Playmobil-Figuren", sagt Vorstandsvorsitzender Steffen Höpfner. Auch mit neuen Lizenzpartnerschaften wie der mit den Machern des Filmklassikers "Zurück in die Zukunft" sollen Erwachsene stärker ins Visier genommen werden. Das sei nur ein Anfang. "Wir haben das Potenzial, das die Marke bietet, noch nicht völlig ausgeschöpft." Man werde experimentierfreudiger bei Playmobil, um sich breiter aufzustellen.

Auch Spielwarenhersteller Märklin will mit digitalen Hochleistungsloks inklusive Rauch-, Sound- und Lichteffekten Erwachsene an die Ladenkassen locken. Die Loks kosten zwischen 80 und 600 Euro und bestehen aus bis zu 300 Einzelteilen.

Ob sich die Branche auf einen ähnlichen Boom wie bei den Malbüchern einstellen kann? Der Geschäftsführer des Handelsverbandes Spielwaren, Steffen Kahnt, schätzt: "Ich würde das eher in Wellen sehen, als einen großen Boom." (olb)