Plastik aus dem Ozean

Kompostierbares Bioplastik könnte bald aus Mikroorganismen gewonnen werden, die Algen verzehren. Wissenschaftler forschen in Israel an einem Verfahren, das weder Süßwasser noch Ackerboden benötigt.

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Flaschen aus Bioplastik

(Bild: zhrefch)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Cosima Ermert
Inhaltsverzeichnis

Biokunststoff an sich ist keine neue Idee. Die Umweltverschmutzung durch Plastikmüll und knapper werdende fossile Rohstoffe treiben die internationale Forschung zu Alternativmaterialien für Plastik auf Erdölbasis an. Der Begriff Bioplastik kann jedoch zweierlei bedeuten: Entweder der Kunststoff wurde aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen oder er ist biologisch abbaubar – zumindest unter optimalen Bedingungen im Labor.

Diese beiden Eigenschaften vereinen Polyhydroxyfettsäuren (PHA). Diese biologisch abbaubaren Polyester, werden von Bakterien aus pflanzlichen Kohlenstoffen synthetisiert und intrazellulär gespeichert. Per Fermentierung können sie aus den Mikroorganismen gewonnen werden. PHA-Plastik wird bereits industriell hergestellt, ist leicht zu verarbeiten und gilt als Alternative zu Kunststoffen auf Basis von Erdöl. Allerdings sind Kosten und Aufwand dafür vergleichsweise hoch.

Kohlenstofflieferanten für die Mikroorganismen sind üblicherweise Mais, Kartoffeln, Raps und Zuckerrohr. Der Anbau benötigt jedoch Ressourcen, die knapp sind, wie Ackerfläche, Süßwasser und Benzin. Düngemittel und Pestizide belasten die Umwelt. Eine nachhaltige Anpflanzung ist für Hersteller oft keine Notwendigkeit, um ihren Kunststoff mit „Bio“ zu betiteln. Außerdem konkurrieren hier Lebensmittel- und Kunststoffindustrie um die Anbauflächen und Verwertungswege. Wie erfolgreich so etwas sein kann, hat ja bereits E10 gezeigt.

Eine mögliche Lösung für diesen Konflikt haben Wissenschaftler der Universität Tel Aviv gefunden: Sie nutzen Algen als Kohlenstofflieferanten, genauer Meersalat (Ulva lactuca), und als Mikroorganismus die Bakterie Haloferax mediterranei, die sich in salzigem Wasser am wohlsten fühlt. Algen haben eine kurze und hohe Wachstumsrate und anspruchslose Kultivierungsbedingungen. Die Bioplastikherstellung im Meerwasser verbraucht weder Ackerfläche noch Süßwasser.

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Für Länder mit Süßwasserknappheit wie Israel, China oder Indien sei das Bioplastik aus Algen daher eine echte Alternative, sagen die Forscher Dr. Alexander Golberg von der Porter School of Environmental and Earth Sciences und Professor Michael Gozin von der School of Chemistry der Universität Tel Aviv. Außerdem entstehen anders als bei herkömmlichem Plastik bei der Produktion von PHA keine schädlichen Chemikalien und das resultierende Produkt sei vollständig kompostierbar.

In eine Reihe an Experimenten wurden sieben verschiedene Algenarten verglichen, wobei sich der Meersalat insbesondere wegen seiner geringen Anbaukosten und einer PHA-Ausbeute von bis zu 55% durchgesetzt hat. In weiterführender Forschung soll die Effizienz durch eine verbesserte Fermentierung und die Untersuchung weiterer Algensorten erhöht werden, damit ein nachhaltiges Scale-Up möglich wird. Die Wissenschaftler haben ihre Forschungsergebnisse in der Januarausgabe der Fachzeitschrift Bioresource Technology veröffentlicht.

Bioplastik ist ein wichtiger Schritt zur Vermeidung von Plastikmüll und Mikroplastik, sicherlich aber kein Freifahrtschein zum bedenkenlosen Verbrauch von Kunststoffen. Laut einem aktuellen Gutachten des Umweltbundesamt ist PHA zwar kompostierbar. In industriellen Anlagen dauere das vier bis sechs Wochen, unter realen Bedingungen bis zu zwölf Monate - je nach Temperatur und Umgebung. Das gilt jedoch nicht für jedes Bioplastik.

Seitens der Betreiber von Kompostieranlagen bestehe Ablehnung gegenüber bspw. Bioplastikbeuteln, da die vergleichsweise lange Abbauzeit zu einem „erhöhten Sortierungsaufwand“ und einer „Minderung der Kompostqualität“ führe. Beutel würden oft unabhängig vom Material aussortiert und verbrannt. Die biologische Abbaubarkeit könne außerdem die Hemmschwelle senken, Plastikverpackungen unsortiert oder einfach in der Natur zu entsorgen, und so die Umweltbelastung verschärfen.

(cose)