Schweizer Atomaufsicht bezweifelt Sicherheitskultur im AKW Leibstadt

Ein Mitarbeiter des AKW Leibstadt hat Protokolle für die Prüfung von Dosimetern fingiert. Nun schreitet die Schweizer Atomaufsichtsbehörde ENSI ein.

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Schweizer Atomaufsicht bezweifelt Sicherheitskultur im AKW Leibstadt

AKW Leibstadt

(Bild: kkl.ch)

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Ein Mitarbeiter des AKW Leibstadt (KKL) hat seit 2016 Daten in Prüfprotokolle eingetragen, ohne tatsächlich geprüft zu haben. Die Schweizer Atomaufsicht ENSI hat daraufhin angeordnet, dass die Sicherheitskultur des Atomkraftwerks tiefgreifend überprüft wird. Der Vorfall habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf den sicheren Betrieb des AKW gehabt, beteuert die ENSI, die Aufsichtsbehörde sieht aber einen schweren Fall von menschlichem Fehlverhalten.

Mobiles Neutronen-Dosisleistungsmessgerät.

(Bild: ensi.ch)

Der verdächtigte Mitarbeiter habe die halbjährlichen Funktionsprüfungen an drei mobilen Neutronen-Dosisleistungsmessgeräten nicht durchgeführt und stattdessen fingierte Daten in die Prüfprotokolle eingetragen, schreibt das ENSI in einer Mitteilung. Mit den Dosimetern wird die Strahlung an beladenen Brennelementebehältern vor dem Transport ins Zwischenlager Würenlingen gemessen.

In dem Zwischenlager seien die Behälter jeweils nach der Ankunft erneut gemessen und es seien keine signifikanten Abweichungen bei den Messwerten festgestellt worden. Damit sei bestätigt, dass die Sicherheit der Bevölkerung stets gewährleistet war, beteuert das ENSI. Das für den Transport eingesetzte Personal sei radiologisch überwacht worden, es habe keine unerwartete oder unzulässige Exposition gegeben.

"Auch wenn keine Gefahr für die Sicherheit der Anlage und der Bevölkerung bestand, ist eine solche Fälschung absolut inakzeptabel", sagte der stellvertretende ENSI-Direktor Georg Schwarz. Das ENSI verlangt nun, den Fall lückenlos aufzuklären. Insbesondere müsse geklärt werden, ob der beschuldigte Mitarbeiter weitere Prüfprotokolle fingiert hat und ob dies zu falschen Messresultaten geführt hat. Das AKW Leibstadt soll dazu bis Anfang Februar einen detaillierten Bericht einreichen. Danach sollen die Untersuchungen unter der Aufsicht einer unabhängigen Inspektionsstelle auf weitere Prüfprotokolle ausgedehnt werden.

"Leider gab es in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Vorfällen aufgrund menschlichen Fehlverhaltens im KKL", sagte Schwarz. Deshalb seien weitere Maßnahmen nötig, damit die Sicherheitskultur in dem AKW nachhaltig verbessert wird. Dazu wolle das ENSI künftig im AKW Leibstadt deutlich präsenter sein. Bislang führten ENSI-Mitarbeitende dort jährlich rund 100 angemeldete und unangemeldete Inspektionen sowie Anlagenbegehungen durch.

Das AKW Leibstadt nahe der deutschen Grenze bei Waldshut-Tiengen ist seit 1984 am Netz. Es ist eines von vier Reaktorblöcken, die vorerst in der Schweiz in Betrieb bleiben. (anw)