Missing Link: Post-normal - Wissenschaft in Zeiten unsicherer Fakten und alternativloser Technik

Wir müssen reden. Und uns nicht mit alternativen Fakten begnügen. Ein Dialog auf Augenhöhe zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit ist notwendig.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 198 Kommentare lesen
Missing Link: Post-normal - Wissenschaft in Zeiten unsicherer Fakten und scheinbar alternativloser Technik

(Bild: khoamartin / shutterstock.com)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Wir müssen miteinander reden, dringend. Über den Klimawandel zum Beispiel, aber auch über Künstliche Intelligenz, Genmanipulation und andere Dinge, die unser Leben und das unserer Nachkommen massiv verändern werden. Wir sollten uns darüber verständigen, was diese Entwicklungen für uns bedeuten, und uns auf einen gemeinsamen Plan verständigen, wie wir sie steuern wollen. Aber dafür müssen wir natürlich erst einmal verstehen, worum es da eigentlich jeweils geht.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Das ist keine Kleinigkeit. Schließlich liegen die Prozesse, um die es geht, außerhalb des Erfahrungshorizonts der meisten Menschen. Der Klimawandel etwa ist nichts, was man als einzelne Person erleben könnte, sondern ergibt sich aus umfassenden wissenschaftlichen Beobachtungen und komplexen Modellrechnungen, für deren Würdigung spezielles Fachwissen erforderlich ist. Und ist das alles nicht irgendwie auch umstritten? Erderwärmung, steigender Meeresspiegel – gibt‘s das überhaupt?

Hier ist die Wissenschaftskommunikation gefordert, um die nicht immer leicht verständlichen Erkenntnisse der Forschung so aufzubereiten, dass fachfremde Personen sich ein Urteil darüber erlauben können. Sie ist mittlerweile selbst Gegenstand intensiver Forschungen: Auf zahlreichen Konferenzen und Workshops diskutieren Wissenschaftler darüber, wie sich ihre Arbeit am besten einer breiten Öffentlichkeit vermitteln lässt.

Beim Sackler Colloquium on the Science of Science Communication vor gut einem Jahr in Washington etwa berichteten Wändi Bruine de Bruin (University of Leeds) und M. Granger Morgan (Carnegie Mellon University) von zwei Kommunikationskampagnen zu den Themen CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) sowie zur Dauer des Verbleibs von Kohlendioxid in der Atmosphäre. In Interviews, mit denen sie vorab den Kenntnisstand dazu ermittelten, zeigte sich, dass über CCS-Techniken gerne im Zusammenhang mit anderen Verfahren zur Kohlenstoffreduzierung wie Wind- oder Solarenergie diskutiert wurde.

(Bild: yotily / shutterstock.com)

Die daraus abgeleitete Kommunikationsstrategie bestand darin, vergleichende Informationen zu zehn kohlenstoffarmen Technologien zur Energieerzeugung zusammenzustellen und sie in einem iterativen Prozess zwischen der Sozialwissenschaftlerin (Wändi), dem Naturwissenschaftler (Granger) und Interviewpartnern Schritt für Schritt so verständlich wie möglich zu gestalten, ohne den Inhalt zu verfälschen. Es zeigte sich, dass bei einem solchen Vergleich verschiedener Technologien in Verbindung mit einem angestrebten Ziel die Risiken besser abgewogen werden können als bei der isolierten Betrachtung einer einzelnen Technik.

Bei Fragen nach der Bedeutung von Kohlendioxid stellte sich heraus, dass dessen Entstehung durch Verbrennen fossiler Energieträger und seine Wirkung als Treibhausgas mittlerweile weithin bekannt zu sein scheinen. Dagegen wissen eher wenige Menschen, wie lange es in der Atmosphäre verbleibt. Kohlendioxid wird offenbar oft mit Luftverschmutzung gleichgesetzt, was zu der Annahme führen kann, der Klimawandel ließe sich innerhalb relativ kurzer Zeit rückgängig machen.

Tatsächlich jedoch beträgt die Verweildauer mehrere Jahrhunderte. Die Studie zur Verbreitung des Wissens darüber läuft noch, doch die beiden Forscher vermuten, dass eine bessere Aufklärung in diesem kritischen Punkt auch zur Aufhebung festgefahrener politischer Kontroversen führen könnte. "Das habe ich nicht gewusst", zitieren sie einen älteren Politiker, der Granger Morgan nach einem Vortrag in Washington angesprochen und erklärt hatte: "Das war mit Abstand das Wichtigste, was Sie uns heute gesagt haben."