Smog auf dem Mond

Menschen verändern ihre Umwelt längst nicht mehr nur auf der Erde. Eine Wissenschaftlerin hat zusammengetragen, wie die Menschheit auch das Weltall beeinflusst. Wird Astroökologie zu einer neuen Fachrichtung?

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Smog auf dem Mond

(Bild: NASA)

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Inhaltsverzeichnis

Ökologie ist die Beschäftigung mit dem Verhältnis zwischen Organismen und ihrer Umwelt – und bei Menschen ein sehr komplexes Gebiet. Denn die Menschheit hat ihre Umwelt auf Arten verändert, die zwar intensiv erforscht wurden, aber trotzdem oft kaum verstanden sind. Gleichzeitig wird zunehmend klar, dass ihr Einfluss noch weiter reicht.

In den vergangenen rund 50 Jahren haben Menschen begonnen, den erdnahen Weltrau zu erkunden, eine Zone, die von der Erde aus gesehen etwa 1 Million Kilometer weit ins All reicht. Diese Aktivitäten verändern die Umwelt. Schrott sammelt sich an, zusammen mit radioaktiven Elementen und elektromagnetischer Strahlung. In einem Fachaufsatz hat Elena Nikoghosyan vom Byurakan Astrophysical Observatory jetzt zusammengefasst, mit welchen Faktoren sich die neue Wissenschaft der erdnahen Ökologie beschäftigen muss.

Die an sich makellose Umwelt des erdnahen Weltraums ist geprägt von der Energie der Sonne. Die Erdatmosphäre absorbiert diese Energie, vor allem bei Wellenlängen, die der Präsenz von Molekülen wie Wasser, Kohlendioxid und Sauerstoff entsprechen. Tatsächlich absorbiert Ozon fast die gesamte Strahlung mit Wellenlängen zwischen 200 und 320 Nanometer, die so genannte UV-B-Strahlung.

Die Atmosphäre selbst verändert sich mit zunehmendem Abstand zur Erde deutlich. Ungefähr 90 Prozent ihrer Masse befinden sich in der Zone bis 12 Kilometer Erdentfernung, die als Troposphäre bezeichnet wird. Auch die atmosphärische Dichte ist darin mit ungefähr 10 hoch 19 Partikeln pro Kubikzentimeter am höchsten. Weiter oben nimmt diese Dichte drastisch ab. In der Ionosphäre, die von 30 bis 1000 Kilometer Abstand zur Erde reicht, beträgt sie bei 100 Kilometern Abstand noch 10 hoch 13 Partikel pro Kubikzentimeter, bei 300 Kilometern sind es 10 hoch 9 Partikel.

Doch selbst bei diesen geringen Dichten haben die Partikel eine wichtige Schutzfunktion. Die Erde wird ständig mit Staub und Steinbrocken bombardiert, die langsamer werden, wenn sie in die Ionosphäre eintreten und verbrennen. Eindeutig ist der erdnahe Weltraum ein lebhaftes, aktives Umfeld, in dem sich eine große Vielfalt von Prozessen abspielt. Und Menschen haben begonnen, es zu beeinflussen.

Die offensichtlichste Folge menschlicher Aktivität bei der Erkundung des erdnahen Weltraums ist die Menge an Schrott, die dabei anfiel. Im Jahr 1957 schickte die Sowjetunion ihre Sputnik-Sonde in den bis dahin unberührten Raum. Heute sind erdnah mehr als 17.000 Objekte zu finden, die groß genug sind, um vom Boden aus beobachtet zu werden; kleinere Objekte gibt es noch weitaus mehr.

Bei 6 Prozent davon handelt es sich um noch aktive Satelliten. Der Rest sind kaputte Satelliten, aufgegebene Raketenhüllen und einfach Schrott, ein Großteil davon aus der Explosion der Treibstoffreste von Raketen. Sogar absichtliche Explosionen im Weltraum hat es schon gegeben. Die größte davon ereignete sich, als China im Januar 2007 vom Boden aus einen kaputten Wettersatelliten zerstörte. Dadurch entstand eine Wolke aus 150.000 Schrott-Partikeln, die sich auf einer Höhe von 850 Kilometern um die Erde ausbreiteten. Ein großer Teil davon ist immer noch vorhanden.

Die große Sorge ist, dass dieser Schrott ein Kessler-Ereignis auslösen könnte (benannt nach dem NASA-Wissenschaftler, der als Erster darauf kam). Die Befürchtung: Ein Schrott-Partikel könnte auf einen anderen treffen, sodass mehr Schrott entsteht, der in einer Kettenreaktion letztlich weitere Satelliten zerstören und so den erdnahen Weltraum vollkommen ungeeignet für Satelliten machen könnte.

Um ein solches Ereignis ging es in dem Film "Gravity", doch es ist keineswegs rein fiktional. Tatsächlich wird ein Kessler-Ereignis umso wahrscheinlicher, je höher die Schrott-Dichte wird. Niedrige Erdumlaufbahnen unter 400 Kilometern werden durch ein natürliches System relativ sauber gehalten: Durch die höhere Partikel-Dichte in dieser Zone wird alles, was sich in einer Umlaufbahn befindet, verlangsamt, sodass es zur Erde fällt. Zudem heizt die Sonne die Atmosphäre auf und sorgt dafür, dass sie sich in einem 11-Jahres-Zyklus ausweitet; dadurch werden auch höhere Umlaufbahnen gesäubert.

Die niedrigere Partikel-Dichte in größeren Höhen bedeutet allerdings, dass dieser Prozess viel langsamer vor sich geht. Tatsächlich wurde bei Atomtests in den 1960er Jahren radioaktives Material in die Ionosphäre geschleudert, das erst nach Jahrzehnten wieder weggespült war.

Außerdem gibt es in diesen Regionen Raketentreibstoff-Reste und Abgase, wenn auch in weitaus geringerem Ausmaß als Treibhausgase auf der Erde. Normalerweise wird auch dieser menschliche Müll rasch weggespült, doch auf dem Mond könnte er ein großes Problem werden, denn der ist der einzige Himmelskörper, der sich durchgehend im erdnahen Weltraum befindet. Seine einzigartige und empfindliche Umwelt kann durch Raketen-Landungen leicht beschädigt werden. Der Mond hat eine dünne Atmosphäre, die entsteht, weil der Sonnenwind auf seine Oberfläche trifft und sie verdampfen lässt. Über die Zusammensetzung ist wenig bekannt – man nimmt an, dass die Atmosphäre aus insgesamt 100 Tonnen Gas besteht.

Durch jede Apollo-Landung aber gerieten etwa 20 Tonnen Abgase in die Mondatmosphäre, die nicht einfach so verschwinden dürften. Die letztlichen Auswirkungen von Landungen auf die Mondatmosphäre sind noch nicht bekannt. Doch das Interesse an der Erkundung des Mondes nimmt zu. Man könnte sich leicht vorstellen, dass die einst makellose Mondatmosphäre einem dicken Smog aus Abgasen weicht.

Ein letzter Aspekt im erdnahen Weltraum ist die elektromagnetische Umwelt. Die Menschheit jagt in beispiellosem Tempo elektromagnetische Wellen ins All, und Satelliten schicken solche Wellen zurück. Dadurch wird diese Umwelt mit Rauschen gefüllt, das die natürlichen Signale auf diesen Frequenzen übertönt. Also macht menschliche Aktivität es schwieriger, den Weltraum zu erforschen. Der neue Ansatz von Nikoghosyan ist interessant. Mit einigem Understatement schreibt die Forscherin: „Die technischen Leistungen unserer Zivilisation werden von bestimmten negativen Folgen begleitet.“

Der erste Schritt zur Bekämpfung dieser Folgen besteht darin, sie zu verstehen und zu kategorisieren. Dafür wird eine neue wissenschaftliche Fachrichtung dringend gebraucht. Die Ökologie des erdnahen Weltraums dürfte in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen (vielleicht unter einem neuen Namen wie zum Beispiel Astroökologie).

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