Kunst in Bewegung

Keine Stillleben: Die amerikanische Softwareentwicklerin Simone Seagle verwandelt Kunstwerke von Monet, Klee und Kandinsky in interaktive Animationen.

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Animierte Kunstwerke

"Winter Scene in Moonlight" von Henry Farrer, 1869

(Bild: Metropolitan Museum of Arts, New York)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Cosima Ermert

Im Februar 2017 hat das New Yorker Metropolitan Museum of Art (MET) rund 400 000 Bilder vom Urheberrecht befreit. Die Kunstwerke stehen online hochaufgelöst sowohl zur privaten als auch zur kommerziellen Nutzung zur Verfügung.

Simone Seagle hat das zum Anlass genommen, berühmte Kunstwerke so zu animieren, dass sie auf die Bewegung einer Computermaus reagieren. Die US-Amerikanerin entwickelt beruflich Software für Museumsausstellungen. Ihre Animationen veröffentlicht sie auf ihrer Website.

Technology Review: Welche Vorteile sehen Sie darin, Kunstwerke frei zugänglich zu machen?

Simone Seagle: Gemeinfreie Kunst ist inspirierend, haucht älteren Kunstwerken neues Leben ein und setzt sie – zum Wohle der Künstler - neuen Generationen von Kunstliebhabern und Kreativen aus. Auch die Organisationen profitieren: Das Interesse an der Kunstsammlung des MET hat enorm zugenommen, nachdem es die Open-Access-Initiative gestartet hat.

Und für Sie persönlich?

Ich wollte schon lange kreatives Programmieren ausprobieren, hatte aber einfach keine gute Projektidee. Als die Bilder vom MET veröffentlicht wurden, wusste ich sofort: Darauf habe ich gewartet. Alle meine Interessen kann ich hier unter einen Hut bringen: Softwareentwicklung für Museen, kreatives Coding, großartige Kunst und mit Photoshop herumspielen!

Als Gestalterin bin ich begeistert über die verschiedenen Möglichkeiten, die ich dank der Open-Access-Sammlung habe. Ohne das MET hätte ich niemals meine animierten Kunstwerke kreieren können – ich hätte schlichtweg kein Geld gehabt, die Lizenzen für so berühmte Bilder zu erwerben.

Wonach suchen Sie die Kunstwerke aus?

Als erstes suche ich mir einen Künstler oder ein Thema aus. Ich wollte beispielsweise eine Animation für den nationalen Tag der Katze machen, also habe ich alle Bilder des MET durchgesehen, auf denen Katzen sind. Wenn ich durch die Bilder stöbere, überlege ich mir, wie sie sich bewegen würden, wenn sie könnten. Ich brauche Kunstwerke, die sowohl leicht auseinander gepflückt werden können als auch eine Bewegung darstellen. Stillleben würden nicht funktionieren – da soll sich ja nichts bewegen.

Am besten funktioniert das mit stark stilisierten Kunstwerken, weil die Trennung zwischen Vorder- und Hintergrund hier sehr klar ist. Meine Lieblings-Kunstepoche ist das frühe zwanzigste Jahrhundert mit Künstlern wie Paul Klee, Vassily Kadinsky und Franz Marc. Ihre Kunstwerke sind sehr stilisiert und zauberhaft bunt. Damit zu arbeiten ist leicht und macht Spaß. Außerdem achte ich darauf, heitere Bilder zu nehmen, damit die Animation nicht mit der Aussage des Bildes in Konflikt tritt.

Animierte Kunstwerke (8 Bilder)

Violett

Tanz der Linien und Formen: Ein GIF von Simone Seagles Animation des Gemäldes “Violett” von Wassily Kandinsky, 1923
(Bild: Simone Seagle)

Was möchten Sie mit Ihrer Kunst erreichen?

Meine Arbeiten sind vor allem ein kreatives Ventil; Ich möchte etwas Schönes und Unterhaltsames erschaffen. Es ist mir aber auch wichtig, Menschen Künstler und Werke nahe zu bringen, die sie normalerweise nicht sehen würden. Zu jeder Animation schreibe ich einen kurzen Text über die Geschichte des Bildes, so lerne ich auch selbst immer wieder dazu. Die Mathematik und Informatik, die hinter meinen Animationen steckt, ist manchmal echt schwer und kann einschüchternd wirken. Über die Kunst ist es möglich, eine neue Herangehensweise an diese Konzepte zu vermitteln.

Welche Schritte sind vom Kunstwerk zur fertigen Animation notwendig?

Als erstes trenne ich alle Stückchen, die ich animieren will, mit Photoshop vom Hintergrund, je nach Bild zwischen 5 und 20 Elemente. Dann geht es ans Programmieren. Statt mit leistungsfähigeren desktopbasierten Programmiersprachen wie Proecessing oder Cinder zu arbeiten, habe ich mich für JavaScript und HTML5 entschieden, damit die Animationen webbasiert und somit für jeden mit Internetverbindung zugänglich sind. Ich nutze die Bibliothek PixiJS, weil man damit unglaublich schnell viele Elemente auf einmal laden und animieren kann.

Entwicklerin Simone Seagle

(Bild: privat)

An den Animationen spiele ich so lange herum, bis sie genauso sind, wie ich sie mir vorgestellt habe. Dabei orientiere ich mich grob an physikalischen Gesetzmäßigkeiten von Federn, Wurfbahnen oder Schwerkraft. Für jedes Bild brauche ich im Schnitt zwanzig Stunden.

Welcher Teil der Arbeit macht Ihnen am meisten Spaß?

Das Photoshopping! Es ist eine sehr friedliche und fast meditative Arbeit, die einzelnen Komponenten ganz perfekt auszuschneiden und die entstehenden Lücken im Hintergrund zu füllen.

Sehen Sie sich eher als Künstlerin oder Programmiererin?

Ich bin definitiv eine Programmiererin! Was ich mache ist eine Hommage an die Kunst und definitiv kein Ersatz.

Wie geht es jetzt weiter?

Momentan arbeite ich an einer astronomischen Karte aus dem 17. Jahrhundert und einen Georges Valmier. Weil ich meine Animationen zwischen meine bezahlten Projekte schieben muss, klappt das nur ab und zu. Ich mache aber mit Sicherheit weiter!

(cose)