Kein Zugriff auf Cold Storage: Kryptogeldbörse Quadrigacx erhält Gläubigerschutz

Nur der verstorbene Chef soll Zugriff auf Offline-Wallets von Quadrigacx gehabt haben. Nun steht die Kryptogeldbörse unter Gläubigerschutz.

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Kein Zugriff auf Cold Storage: Kryptogeldbörse Quadrigacx erhält Gläubigerschutz
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Die in Zahlungsschwierigkeiten geratene Kryptogeldbörse Quadrigacx hat am Dienstag von einem kanadischen Gericht Gläubigerschutz zugesprochen bekommen. Damit ist das Unternehmen zunächst 30 Tage vor Schadenersatzklagen gefeit, die Frist kann verlängert werden. Die Zeit will das Börsenteam nutzen, um Zugriff auf die Offline-Wallets (Cold Storage) zu erlangen, in denen Kryptogeld im Millionenwert liegen soll. Der im Dezember verstorbene Börsen-Chef Gerald "Gerry" Cotten soll laut eidesstattlicher Erklärung seiner Witwe die einzige Person gewesen sein, die den Verbleib der privaten Schlüssel für die Wallets kannte und darauf Zugriff hatte. Geldflüsse zwischen Online- und Offline-Wallets soll er manuell verwaltet haben.

Insgesamt hatten Gerichtsdokumenten zufolge 115.000 Kunden Geld auf der Börse geparkt, die Verbindlichkeiten sollen sich auf 250 Millionen kanadische Dollar belaufen (rund 166 Millionen Euro). Umgerechnet 180 Millionen kanadische Dollar davon seien Kryptogeld, der Großteil im unzugänglichen Cold Storage untergebracht. Möglicherweise liegen die Private Keys für die Guthaben auf einem verschlüsselten Laptop Cottens. Das Gerät wurde an Anwälte übergeben, die stellvertretend für die Gläubiger bestellt wurden, berichtet der kanadische Sender CBC. Ein IT-Experte untersuche weiterhin den Rechner, zuvor hatte Cottens Witwe bereits von vergeblichen Entschlüsselungsversuchen gesprochen.

Laut CBC soll auch die kanadische Polizei eine Ermittlung in der Sache begonnen haben. Die Anwälte sollen auch einen Verkauf der Plattform in Erwägung vorgeschlagen haben, um die Verbindlichkeiten bedienen zu können. Der Ende Januar eingestellte Börsenbetrieb von Quadrigacx soll bis auf Weiteres nicht wieder aufgenommen werden. Als externer Auditor für das insolvente Unternehmen wurde die Beratungsgesellschaft Ernst & Young bestellt, die unter anderem Wallets einrichtet, um Kryptoguthaben der Börse zu sichern. Auf einer Website der Beratungsgesellschaft lassen sich auch Gerichtsdokumente zu dem Fall einsehen

Details aus der Gerichts-Anhörung, die CBC-Reporter Jack Julian schildert, lassen Zweifel aufkommen, dass die Börse wirklich professionell geführt wurde. So soll Quadrigacx zum Beispiel weder ein festes Büro noch eigene Bankkonten gehabt haben. Alle Zahlungsflüsse wurden offenbar über Bezahldienstleister geregelt, bei denen auch noch etliche Millionen kanadischer Dollar festhängen. Auch das von Julian geteilte Bild über die "Buchführung“ der Börse lässt Schlimmes ahnen.

Inzwischen ist auch eine Sterbeurkunde für Cotten aufgetaucht, die der Fachdienst Coindesk aufspüren konnte. Das Dokument wurde augenscheinlich von indischen Behörden ausgestellt, Cotten soll dort am 9. Dezember an Komplikationen einer Morbus-Crohn-Erkrankung verstorben sein. Er wurde 30 Jahre alt. Auffällig an der Urkunde ist der falsche geschriebene Nachname "Cottan". In der Kryptogeldszene haben zahlreiche Stimmen Zweifel am Tod Cottens geäußert und einen elaborierten Betrug hinter der ganzen Geschichte vermutet.

Seinen letzten Willen soll Cotten rund zwei Wochen vor seinem Tod, am 27. November 2018, schriftlich fixiert haben, berichtet die Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Seine Vermögenswerte vermachte er demnach komplett seiner Frau, darunter Immobilien, ein Flugzeug, eine Yacht, private Konten sowie die beiden Chihuahua-Hunde "Nitro" und "Gully". Private Schlüssel für Kryptowährungen waren wohl nicht Teil des Nachlasses. (axk)