Den Frauen das Leben erleichtern – zum 200. Geburtstag von Christopher Sholes

Heute vor 200 Jahren wurde Christopher Sholes geboren. Er gilt als Erfinder der QWERTY-Tastatur, mit der der Siegeszug der Schreibmaschine begann.

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Den Frauen das Leben erleichtern – zum 200. Geburtstag von Christopher Sholes

(Bild: gemeinfrei)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Vor 200 Jahren kam der spätere Buchdrucker und Journalist Christopher Richard Sholes zur Welt. Als Herausgeber des Kenosha Telegraph berichtete Sholes von etlichen Gerichtsprozessen und befasste sich mit Überlegungen, wie Maschinen die Arbeit der Stenographen verbessern könnten. Als Journalist beobachtete er die Entwicklung des Telegraphenwesens. Zusammen mit Samuel Soule machte er sich ab 1865 an die Konstruktion einer Maschine, die möglichst schnell Buchstaben zu Papier bringen konnte. Bis zum Jahre 1873 wurden knapp 50 Maschinen gebaut, die der Telegraphist Charles Walter und Sholes Tochter Lilian testeten.

Am Ende war mit der QWERTY-Tastatur eine Anordnung entstanden und patentiert, bei der sich die Typenhebel nicht verhedderten, wenn schnell geschrieben wurde. Diese Anordnung ist bis heute im Zeitalter des Smartphones das Gerüst, an dem sich jede händische Texteingabe orientiert.

Die Gewehr- und Nähmaschinenfabrik Remington kaufte schließlich das Sholes-Patent für 40.000 US-Dollar und begann mit der Produktion von Schreibmaschinen. Bald kam das Trainig von Vorführdamen hinzu, die in den Vertretungen von Remington das Schnellschreiben demonstrierten: Mit der Schreibmaschine trat die Schreibmaschinistin in die Welt. "Ich fühle, dass ich etwas für Frauen getan habe, die immer so hart arbeiten müssen. Dies macht es für sie viel leichter, ihren Lebensunterhalt zu verdienen", fasste Sholes seinen Erfolg zusammen. Die Schreibmaschine wurde als Emanzipations-Maschine gefeiert.

Wie das Internet, so hat auch die Schreibmaschine viele Väter. Da ist der dänische Pastor Malling-Hansen, dessen Schreibkugel das erste in Serie gebaute Schreibgerät war. Da ist der italienische Rechtsanwalt Guiseppe Ravizza, der für sein "Schreibklavier" den Typenhebel und das Farbband erfand. Da ist der Südtiroler Zimmermann Peter Mitterhofer, der für seine hölzerne Schreibmaschinen die Zeilenschaltung, die Leer- und die Rücktaste erfand, die Proportionalschrift sowie die Glocke, die das Erreichen der Randeinstellung ankündigt.

Schließlich muss die Pterotype von John Pratt erwähnt werden, das Modell, das Sholes im Scientific American abgebildet sah, als er sich zusammen mit Samuel Soule an die Konstruktion einer Schnellschreibmaschine machte. Sie sollte von der US-Regierung und von Telegraphengesellschaften wie der Western Union gekauft werden, um eingehende Telegramme schnell tippen zu können. Dementsprechend hatten die ersten Schreibmaschinen, die Remington ab 1874 für 125 Dollar verkaufte, nur Großbuchstaben.

Sholes' Erfindung wurde auf Ausstellungen und Messen bestaunt, war aber zunächst kein Erfolg. Western Union lehnte den Ankauf ab und wartete auf eine Erfindung ihres "Haustechnikers" Thomas Alva Edison. Bis 1885 verkaufte Remington nur 4000 Schreibmaschinen. Das änderte sich erst, als man systematisch Schnellschreiberinnen trainierte und in den Vertretungen einstellte bzw. ausstellte. Außerdem richtete Remington in großen Hotels Schreibbüros ein, in denen Geschäftsleute Briefe diktieren konnten, für 25 Cent pro Seite.

Weil vielfach beim Kauf einer Schreibmaschine die Vorführdame gleich mit abgeworben wurde, richtete Remington in ganz USA Schreibmaschinenschulen mit integrierter Jobvermittlung ein. Auch die 1883 gegründete Remington-Vertretung Jaques Glogowski in Berlin unterhielt eine solche Schule. Hier entstand im praktischen Unterricht das für die deutsche Sprache besser geeignete QWERTZ-Layout.

Der allgemeine Durchbruch kam mit der Entwicklung von Maschinen mit direkt auf dem Papier sichtbarer Schrift und der von Richard Siering 1889 entwickelten deutschen Zehnfinger-Blindschreibmethode. Sie wurde systematisch in Schnellschreibwettbewerben propagiert – für Frauen. Siering, zugleich Verkaufsleiter bei Smith Premier Typewriter in Berlin, urteilte, "dass weibliche Personen durch größere Fingerfertigkeit infolge eines vorteilhafteren Baues der Hand und einer besseren Ausbildung des Bewegungszentrums im Gehirn größere Erfolge erzielen können". Als 1903 Hermann von Budde das Maschinenschreiben im Eisenbahministerium verpflichtend machte, machte er sich prompt Gedanken über das richtige Dikitieren und auch, wie diktierende Männer mit den "rasch zum Maschinenschreiben vorbereiteten Mädchen" umgehen sollten. Sie seien sorgsam als "Schreibkraft" zu behandeln, genau wie die Maschinen, die sie bedienten. (anw)