EU-Copyright-Reform: "Das Internet in Europa wird kaputt gefiltert"

Nach der Einigung der EU-Gremien auf Upload-Filter und ein zweijähriges Leistungsschutzrecht wächst der Druck auf das Parlament, den Deal abzulehnen.

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Copyright, Urheberrecht, Medien

(Bild: kentoh, shutterstock.com)

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Die hinter verschlossenen Türen gefundene Übereinkunft zwischen dem EU-Parlament, dem Ministerrat und der Kommission für eine neue Copyright-Richtlinie hat ein geteiltes Echo ausgelöst. Verwertungsgesellschaften und Verlegerverbände sind entzückt über die sich damit eröffnenden neuen Einnahmequellen. Bürgerrechtsorganisationen, YouTuber und die Netzwirtschaft malen das Ende des freien Internets an die Wand.

Die Verhandlungsführer hätten mit ihrem Ergebnis "die Chance für ein digitaltaugliches Urheberrecht nicht genutzt" und die zahlreichen kritischen Stimmen gegen Upload-Filter und Leistungsschutzrecht für Presseverleger ignoriert, beklagt Oliver Süme vom eco-Verband der Internetwirtschaft. "Statt eines fairen Interessenausgleichs haben sich die protektionistischen Bestrebungen durchgesetzt."

Nach dem besonders umstrittenen Artikel 13 der neuen Richtlinie werden Plattformbetreiber erstmals unmittelbar für Urheberrechtsverstöße auch ihrer Nutzer auf ihren Seiten verantwortlich. Folglich müssen die betroffenen Unternehmen künftig verhindern, dass Anwender potenziell geschütztes Material hochladen oder vorsichtshalber alle verfügbaren Lizenzen erwerben, die ihnen Rechteinhaber anbieten. "Diese Entscheidung führt dazu, dass das Internet in Europa kaputt gefiltert wird", befürchtet Süme. "Es droht eine einschneidende Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien, wenn zukünftig Unternehmen und nicht Gerichte darüber entscheiden, was wir im Internet sehen, hören und lesen dürfen."

"Wir setzen uns als Vertreter des digitalen Mittelstands zwar für einen Schutz der eigenen Produkte ein", konstatierte Oliver Grün vom Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi). "Doch eine Zensur aller Aktivitäten im Internet durch Algorithmen, die gegebenenfalls nicht zwischen Urheberrechtsverstößen und legaler Nutzung unterscheiden können, kann darauf nicht die Antwort sein." Die vorgesehenen Ausnahmen für junge Unternehmen seien nur ein Lippenbekenntnis, selbst Startups nach drei Jahren betroffen. Dies wirke "hemmend auf den digitalen Gründergeist".

Die Computer & Communications Industry Association (CCIA), der Konzerne wie Amazon, Facebook oder Google angehören, sprach von einer verspielten Möglichkeit, ein ausgewogenes und zukunftsfähiges europäisches Copyright zu schaffen. Es sei zu befürchten, dass das Gesetz die Online-Innovation behindern und die Internetfreiheiten in Europa einschränken werde. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten und die Abgeordneten müssten die potenziellen Auswirkungen des Texts gründlich prüfen, bevor sie darüber abstimmen.

Die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation beschwört eine dunkle Zukunft für europäische Internetdienste herauf. Nur die größten Techfirmen, die alle ihren Sitz in den USA hätten, könnten sich die schon in der Entwicklung zig Millionen US-Dollar schluckenden Filter leisten. Konkurrenz aus Europa müssten die Branchenriesen damit endgültig nicht mehr fürchten.

Vor allem Netzpolitiker der FDP werfen der großen Koalition vor, ihren Vertrag gebrochen zu haben. Obwohl Schwarz-Rot eine Pflicht für Upload-Filter darin als unverhältnismäßig abgelehnt habe, sei die Bundesregierung bei den Verhandlungen eingeknickt und gefährde damit das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Ins gleiche Horn stößt der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv): Die Reform des Urheberrechts nutzt ihm zufolge in dieser Form niemandem. Mögliche Verbesserungen für Urheber und Startups seien weitgehend auf der Strecke geblieben, die versprochenen Vorteile für die Kreativen stark verwässert worden.

"Dass kleinste Plattformen Lizenzen für allen theoretisch möglichen Content erwerben müssen, ist absolut realitätsfern", beklagt Dominic Kis von der Initiative Save the Internet, die eine von über 4,7 Millionen Nutzern unterzeichnete Petition gegen Upload-Filter lanciert hat. "Die Interessen des normalen Bürgers wie du und ich wurden komplett ignoriert, nur der Geldbeutel der Medienkonzerne und der Urheberrechtsverwertungsindustrie hat gezählt."

Dass sich #NieMehrCDU als Kritik am parlamentarischen Berichterstatter Axel Voss zu einem "Top-Hashtag" aufgeschwungen habe, ist für Kis nur ein Vorgeschmack dafür, falls die Abgeordneten im Plenum für die Reform stimmen sollten. Die Quittung erfolge dann bei den EU-Wahlen im Mai. Die Piratenpartei unterstützte rasch einen Aufruf der Kampagnenführer, europaweit am 23. März gegen Artikel 13 zu demonstrieren.

"Dank der Richtlinie müssen Online-Plattformen Urheber für die Nutzung ihrer Werke endlich fair bezahlen. Das ist seit Jahren überfällig", freute sich dagegen der Vorstandsvorsitzende der Musikverwertungsgesellschaft Gema, Harald Heker. Die neuen Regeln nähmen Internetportale wie YouTube stärker in die Pflicht und festigten zugleich die Position der Kreativschaffenden sowie der Internetnutzer. Die VG Wort und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels begrüßten, dass Verlage auf Basis der Richtlinie wieder an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften beteiligt werden könnten.

Die Verlegerverbände BDZV und VDZ sehen sich mit dem Deal endlich auf der Zielgeraden bei einem europäischen Leistungsschutzrecht, das sogar zwei Jahre gelten soll im Gegensatz zur einjährigen Schutzfrist hierzulande. Dies stelle eine "große Chance für unabhängigen Journalismus in der digitalen Ära" dar, meinten sie. Erstmals könnten Verlage auf dieser Basis ernsthaft mit Google & Co. über die Nutzung ihrer Inhalte zu einem fairen Preis verhandeln. Die Reform setze letztlich einen wichtigen globalen Standard für journalistische Vielfalt und unabhängige Berichterstattung.

Die Autorenvereinigungen International and European Federations of Journalists (IFJ/EFJ) monierten jedoch, dass der Kompromiss die versprochene faire Vergütung für die Journalisten von "vertraglichen Vereinbarungen" und Gesetzen der Mitgliedsstaaten abhängig mache. Dies sei ein "Desaster" für die schreibende Zunft. Google hat angekündigt, zunächst den finalen Text analysieren und dann weitere Schritte einleiten zu wollen. Manager des Konzerns hatten zuvor wiederholt öffentlich überlegt, Google News im Falle eines EU-weiten Leistungsschutzrechts dicht zu machen. (mho)