Fische kommen an Land

Gigantische Aquakulturen gab es bisher nur im Meer. Nun wandern die Riesenanlagen an Land. Fortschritte bei der Wasseraufbereitung machen es möglich.

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Fische kommen an Land

(Bild: J.R. Rardon/ Kuterra
Algerien 100 weitere Shrimp-Anlagen an Orten mit ausreichendem
Grundwasser einrichten. Damit sollen die Meeresfrüchte
lokal erschwinglicher werden, deren Kilopreis heute noch ein
Zehntel des monatlichen Durchschnittsgehalts
beträgt.
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J.R. Rardon/ Kuterra)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Es sind Ankündigungen der Superlative: Nordic Aquafarms aus Norwegen will im US-Bundesstaat Maine eine Großanlage bauen, die pro Jahr bis zu 33000 Tonnen Lachs produzieren soll. Bei einem Gewicht von fünf Kilogramm wären das 6,6 Millionen Fische. In Miami will Konkurrent Atlantic Sapphire sogar 90000 Tonnen pro Jahr erzeugen. Es wären die beiden größten derartigen Anlagen der Welt. Früher waren solche Dimensionen allenfalls in Zuchtanlagen im Meer möglich. Denn nur dort gab es genug Wasser, um die Tiere ausreichend mit Frischwasser zu versorgen, den Kot und andere Abfallstoffe abzutransportieren und genügend Sauerstoff bereitzustellen. Nun allerdings wandert diese Form der Massentierhaltung an Land. Bei Nordic Aquafarms in Maine wird jedes Becken mit 8000 Kubikmeter Größe dreimal so viel Wasser wie ein olympisches Schwimmbecken enthalten.

Bereits in den 80er-Jahren entstanden erstmals geschlossene Kreislaufanlagen an Land, die einen Großteil des verbrauchten Wassers wiederaufbereiten und erneut zirkulieren lassen, um die Umweltbelastung durch Abfallstoffe zu minimieren sowie den Fischen Schutz vor Keimen zu bieten. Die Nähe zu den Endkunden sollte die Transportkosten und den CO2-Abdruck senken.

Allerdings waren die Kreislaufanlagen lange Zeit nur klein, denn große waren zu teuer und nicht wirtschaftlich. Das hat sich geändert. "Vor allem Verbesserungen der Wasserfiltration und -zirkulation haben es erlaubt, dass die Anlagen massiv an Größe und Produktionsmenge zulegen konnten", erklärt Michael Schwartz, Direktor des Virginia Seafood Agricultural Research and Extension Center. Hinzu kommen die gestiegenen Produktionskosten von Lachs-Meeresfischfarmen, eine gestiegene Fischnachfrage und die Bereitschaft von Konsumenten, auch teurere Speisefische zu bezahlen. Das Wachstum des Geschäftsfeldes hat inzwischen auch andere Industrien angelockt. Laut Eric Heim, Geschäftsführer von Nordic Aquafarms, steigen immer mehr auf Wasseraufbereitung spezialisierte Unternehmen ein. Seine Firma arbeitet mit Veolia zusammen, das eine eigene Aquakultur-Abteilung hat.

Sogar in die Wüste dringen die gigantischen Aquarien mittlerweile vor. 2016 eröffnete eine Shrimp-Anlage in der algerischen Sahara. Die mit südkoreanischer Technologie gebaute Anlage hat eine Fläche von zwölf Fußballstadien und bezieht das Frischwasser aus 100 Meter Tiefe aus dem Untergrund, dessen Salzgehalt für die Krustentiere ausreicht. Bis 2025 will Algerien 100 weitere Shrimp-Anlagen an Orten mit ausreichendem Grundwasser einrichten. Damit sollen die Meeresfrüchte lokal erschwinglicher werden, deren Kilopreis heute noch ein Zehntel des monatlichen Durchschnittsgehalts beträgt.

Spätestens hier stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, Fische an Land zu züchten. Wer sechs Millionen Tiere, von denen jedes um die 1,5 Meter groß werden kann, in einer Anlage versorgt, muss erklären, wie nachhaltig das System ist. Befürworter der Massenaquarien führen an, dass jedweder Stress der Fische schlecht fürs Geschäft sei. Er lässt sie schneller schwimmen, wodurch sie die Energie verbrauchen, die dann fürs Wachsen, einen gesunden Stoffwechsel, das Immunsystem und eben die Eiproduktion fehlt. "Wenn Sie das nicht in den Griff kriegen, gehen Sie pleite", so Schwartz.

(anwe)