Die Erbsünde

Vergangenen November sorgten die ersten genveränderten Babys weltweit für Aufsehen. Nun wollen Biohacker in die Technologie einsteigen. Eine Geschichte darüber, warum die genetische Verbesserung des Menschen nicht mehr aufzuhalten ist.

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Die Erbsünde

He Jiankui

(Bild: The He Lab/Wikipedia)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Antonio Regalado

Seit einigen Jahren hinterlässt Bryan Bishop, ein 29-jähriger Programmierer und Bitcoin-Investor, eine Spur von Kommentaren über menschliche „Verbesserung“ im Web. Er ist ein Transhumanist, er glaubt, dass Menschen durch Technologie tiefgreifend verbessert werden können. Schon lange ermahnt er andere, etwas gegen die derzeitige menschliche Verfassung zu unternehmen.

Nun hat er beschlossen, es selbst zu tun. Vor einigen Wochen schickte mir eine besorgte Person Unterlagen, die den Geschäftsvorschlag von Bishop und seinem Partner Max Berry, einem ehemaligen Laborwissenschaftler eines Biotech-Unternehmens, skizzierten. Die Person bat darum, anonym zu bleiben, und äußerte die Sorge, dass Transhumanisten versuchen würden, ihre Ideen zur Verbesserung der menschlichen Art in die Tat umzusetzen. In den Unterlagen ist die Rede von Milliardeneinnahmen aus der Schaffung von Hunderttausenden von verbesserten Babys. Nach Bishops Schaubildern soll eine Gentherapie an den Hoden eines männlichen Freiwilligen zu Designermenschen führen. Auf diese Weise könnten Spermien, die DNA-Verbesserungen tragen, verwendet werden, um eine Frau schwanger zu machen. „Ergebnis: Erster Mensch mit transgenen Spermien, und wir beginnen damit, Vorbestellungen entgegenzunehmen“, steht auf einer der Folien.

In einer Mail an Anders Sandberg vom Future of Humanity Institute der Universität Oxford schrieb Bishop zudem: Die Laborarbeit habe bereits begonnen, und „wir haben ein erstes Ehepaar als Kunden“. Geplant seien transgene Kinder, die „Muskeln wachsen lassen können, ohne Gewicht zu heben“, und Gene von Menschen besitzen, die über 110 Jahre alt wurden. Oder die Blutgruppe AB+ tragen, weil sie dann von jedem eine Transfusion erhalten könnten.

Soll man das wirklich ernst nehmen? Bekannt ist Bishop bisher vor allem im Bereich der Kryptowährung: Er arbeitete bis vor Kurzem bei LedgerX, einer Bitcoin-Börse, und fügte der zugrunde liegenden Software, die die digitale Währung verwaltet, ein paar Zeilen Code hinzu. Ich konnte nie herausfinden, ob Bishop auf einem Bitcoin-Vermögen sitzt. Er behauptete, mit der volatilen digitalen Währung „Millionen von Dollar verdient und verloren zu haben“. Aber er ist ein hoch bezahlter Programmierer, der laut seinem Agenten Michael Solomon von 10x Management in New York 600 Dollar pro Stunde oder mehr verlangen kann. Bishop dürfte also mehr Geld haben als andere DIY-Biologen. „Ich bezeichne ihn als das, was einer KI in menschlicher Form am nächsten kommt“, sagt Andrew Hessel, CEO von Humane Genomics, einem Gentherapie-Start-up.
Er kenne Bishop seit mehreren Jahren. „Er ist der Geist in der Maschine.“

Aber einen Computer zu programmieren ist etwas völlig anderes, als das menschliche Erbgut zu verändern – auch wenn die Analogie immer wieder gezogen wird. Für Sandberg von der Universität Oxford spricht aus den Vorhaben von Bishop vor allem Hybris: „Alles sieht aus wie Code. Es sind nur Buchstaben – wie schwer kann es schon sein? Aber die meisten Biologen wissen, dass diese armen Kerle entdecken werden, dass es nicht so einfach ist.“ Samuel Sternberg, Gen-Editier-Experte an der Columbia University, stellt die Frage, ob das eigentliche Ziel von Bishop darin besteht, „maximal provokativ zu sein und ins Rampenlicht zu rücken“. George Church hingegen, Genetiker an der Harvard University, hält den Ansatz für „technisch machbar“ – auch wenn „noch erhebliche Fehlerkorrekturen nötig sind“. Experten mögen zu Recht beweifeln, ob gerade Bishop die nötigen Fertigkeiten besitzt. Aber Church zufolge sollten sie nicht daran zweifeln, dass irgendwann eine Firma den Weg zum Designerbaby anbietet. „Es könnte definitiv passieren – deshalb müssen wir darüber reden“, sagt Church.

Als im November der chinesische Biophysiker He Jiankui behauptete, die ersten gentechnisch veränderten Babys geschaffen zu haben, löste das einen weltweiten Aufschrei aus. Hintergrund des neuen Hypes um Designerbabys ist ein Verfahren namens Crispr. Es versetzt Wissenschaftler in die Lage, die DNA-Doppelhelix an jeder beliebigen Stelle aufzuschnei-den, um genetische Anweisungen hinzuzufügen oder zu entfernen. Ein paar Hundert Dollar an Material und Chemikalien reichen aus.

He, damals an der Southern University of Science and Technology in Shenzhen, hatte mit diesem Werkzeug die DNA menschlicher Embryonen verändert, um sie HIV-resistent zu machen. Anschließend implantierte er die Embryonen in Frauen. Eine der Frauen, behauptete He, habe Zwillingsmädchen zur Welt gebracht. Ob es stimmt, ist bis heute nicht völlig sicher. Dennoch hagelte es Kritik von wütenden Forscherkollegen aus dem Westen. Einige forderten ein strenges Moratorium für gentechnisch veränderte Babys. Die chinesische Regierung wirft ihm vor, Vorschriften bewusst umgangen, der Aufsicht ausgewichen und gefälschte Dokumente zur ethischen Überprüfung verwendet zu haben – alles in der Hoffnung auf persönlichen Ruhm. Mittlerweile hat die Southern University of Science and Technology Hes Vertrag als außerordentlicher Professor gekündigt. Ob weitere Strafen folgen werden, ist noch offen.

Die Bremse scheint gezogen. Aber wer die entscheidenden Forschungskonferenzen besucht und die Entwicklungen der vergangenen Jahre Revue passieren lässt, kommt zu einem anderen Schluss: Eigentlich geht es in der Diskussion nicht mehr darum, ob Designerbabys überhaupt erlaubt sein sollen. Sondern nur noch darum, wann die Technologie reif für den Einsatz am Menschen ist.

(anwe)