KI-Strategie: Bundestag streitet über Maßnahmen, Ziele, Ethik bei Künstlicher Intelligenz

Die Opposition sieht das Regierungspapier für Künstliche Intelligenz als rein standortbezogenes Stückwerk an. Die Koalition streitet über den Umgang mit Daten.

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Künstliche Intelligenz, KI

(Bild: Jörn Heller, gemeinfrei (Creative Commons CC0))

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Die Bundesregierung lasse die Weitsicht vermissen bei ihrer Strategie für Künstliche Intelligenz (KI), lauteten die Vorwürfe von Vertretern der Opposition bei einer Aussprache im Bundestag. Das Kabinett habe "nur einen Maßnahmenkatalog zusammengefasst", monierte beispielsweise Petra Sitte (Linke) bei der einstündigen Debatte. Das Papier gebe zwar vor, KI gemeinwohlorientiert ausgestalten zu wollen, aber genau diese Ebene fehle, es sei "rein wettbewerbsorientiert, rein standortbezogen".

"Wir brauchen eine Diskussion über die Ziele und die Ethik von Künstlicher Intelligenz", forderte Sitte. Die Politik müsse Antworten liefern auf drängende Fragen: "Wie kann die Diskriminierung von Menschen und Gruppen verhindert werden? Wie sichern wir Arbeit?" Es gelte, in der "datennimmersatten Informationsgesellschaft" die Monopolmacht von Internetriesen zu begrenzen und die Freiheit des Menschen gewährleisten. "Wir brauchen Transparenz und Kontrolle", betonte die Linke und rief nach einem klaren Nein zu KI-gestützten Waffensystemen.

Mario Brandenburg von der FDP vermisste vor allem "Leistungsindikatoren"
in dem Papier. "Erstellen Sie klare Messpunkte!", appellierte er an die große Koalition. "Gründen Sie ein Digitalministerium, welches den Querschnitt betreuen kann", hatte er als weiteren Tipp parat. Es bringe nichts, mit dem "Debattierbus" von drei Bundesministerien, 16 Ländern und einer Staatsministerin für besondere Aufgaben angefahren zu kommen. Damit setze die Regierung "die Hoffnung vieler Gründer" aufs Spiel. Der Liberale verlangte, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Aufbruchrede an die Nation halte, die ein positives Bild der Ziele der Bundesregierung vermittelt.

"Die Bundesregierung verliert sich in kleinsten Aktivitäten, statt glasklar auf ein europäisches Netzwerk zu setzen" und "AI made in Europe" zu propagieren, rügte Anna Christmann (Grüne). KI könne durch Grundlagenforschung weiterentwickelt werden. Für Europa bestehe hier die Chance, weltweit Standards zu setzen. Maschinelles Lernen müsse von Menschen entwickelt werden, "die unsere Werte teilen". Sonst komme Social Scoring made in China dabei raus.

Dieter Janecek (Grüne) erteilte dem Ruf von Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU, bei der Debatte nicht anwesend) nach einem "KI-Airbus" eine Absage: "Wir brauchen keine marktbeherrschende Strukturen durch KI." Es gelte vielmehr, einen fairen Wettbewerb und die hiesigen Nischenweltmarktführer zu unterstützen. Da der Stromverbrauch durch die technische Infrastruktur für Künstliche Intelligenz steigen werde, sei eine Green-IT-Strategie nötig. Sonst drohe ein "klimapolitisches Desaster". Die Regierung sollte zudem eine soziale Innovationsstiftung gründen, um die Anwendungen in die Fläche zu bringen – für die Menschen vor Ort. Und dabei alle mitnehmen.

Gering qualifizierte Arbeitsplätze würden durch KI wegfallen, meinte Marc Jongen (AfD). Die Regierung befinde sich daher auf dem falschen Kurs, wenn sie Geld in Migranten stecke, da für diese keine Tätigkeiten übrigblieben. Die ebenfalls für die Rechtspopulisten sprechende Joana Cotar machte in dem Papier reines Stückwerk aus, das die Unternehmensberatungsgesellschaft Roland Berger vorgelegt habe. Die daran geknüpften 500 Millionen Euro pro Jahr seien ein Tropfen auf den heißen Stein. Ohne Daten gebe es zudem kein maschinelles Lernen. Hier habe die EU mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) aber Bedingungen geschaffen, die den Ansprüchen gar nicht entsprechen könnten.

Über eine künftige Datenstrategie streitet Schwarz-Rot auch intern noch, nachdem Andrea Nahles ein "Daten für alle"-Gesetz ins Spiel gebracht hatte. "Auch viele Mittelständler haben Marktmacht und sitzen auf einem großen Datenreichtum", gab Nadine Schön von der CSU dazu zu bedenken. "Ich möchte nicht, dass sich andere daran bedienen dürfen." Dieser Schatz dürfe nicht für Großkonzerne geöffnet werden. In vielen Punkten wie Open Data sei man mit der SPD aber einer Meinung. Die Unternehmen müssten prinzipiell agiler werden und mehr Informationen teilen. Andreas Steier (CDU) ergänzte: "Wir dürfen in der Datenpolitik nicht übertreiben."

Die Sozialdemokratin Maja Schüle bezeichnete die Kritik vom Koalitionspartner als unlauter. Die SPD sei nicht das rote Gespenst, das unreflektiert Daten offen legen wolle. Kleine und mittlere Unternehmen sollten nicht gezwungen werden, ihre einschlägigen Rohstoffe "mit chinesischen und amerikanischen Plattformen zu teilen". Es brauche aber mehr Anreize für den Wettbewerb. Schüle versicherte generell: "Wir werden KI zur Schlüsseltechnologie für unser Land, aber vor allem für unsere Menschen machen."

"Gemeinsam als demokratische Welt müssen wir unsere Werte hochhalten", unterstrich auch Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU). "Wir lassen uns von unserem christlichen Menschenbild leiten: Künstliche Intelligenz muss dem Menschen dienen." Gemeinsam mit Partnern wie Frankreich wolle die Regierung "KI made in Germany zum Leuchten bringen". Das Modell aus China, das eine "totale Kontrolle durch den Staat" mit sich bringe, "werden wir nicht akzeptieren".

Achim Berg, Präsident des Digitalverbands Bitkom, mahnte parallel zur Eile: "Bei der Künstlichen Intelligenz müssen wir jetzt von der Strategie zur Umsetzung kommen." Die Eckpunkte seien schon vor sieben Monaten beschlossen worden, was in der KI-Welt einer kleinen Ewigkeit gleichkomme. "Es wäre ein wichtiger Schritt, wenn wir noch in diesem Jahr wenigstens 20 der geplanten 100 KI-Professorenstellen besetzen würden", erklärte Berg.

Die für dieses Jahr vorgesehenen 500 Millionen Euro müssten zeitnah in den gezielten Aufbau von KI-Leuchtturmprojekten investiert werden. Mehr noch als die Politik sei aber die Wirtschaft gefordert, die hiesige hervorragende KI-Grundlagenforschung in die Unternehmen zu bringen und daraus marktfähige Produkte zu entwickeln. (cbr)