Ausprobiert: Spielzeug aus dem 3D-Drucker von TinkerToys

"Individuelles Spielzeug" lautet der Claim der Magdeburger Firma. Doch ihre Traum-Action-Figur müssen die lieben Kleinen erst mal konstruiert bekommen – keine leichte Aufgabe.

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Das Angebot der Magdeburger Firma TinkerToys besteht aus drei Teilen. Zum einen gibt es einen 3D-Baukasten in Form einer Browser-Anwendung oder einer App fürs iPad oder Android-Tablet, in dem Kinder ab 6 Jahren individuelle Spielzeugfiguren zusammenklicken können. Die STL-Dateien aller Einzelteile gibt es dann zum kostenlosen Download. Wer selbst keinen 3D-Drucker hat, kann die fertige Figur aber auch bei TinkerToys drucken lassen, was den zweiten Teil des Angebots ausmacht. Der dritte besteht aus Workshops und Kindergeburtstagen in Magdeburg und Leipzig, bei denen Kinder betreut ihr Wunschspielzeug kreieren können, einen 3D-Drucker in Aktion erleben und Hilfe bekommen, wenn es mal hakt.

Den Kindergeburtstag haben wir nicht ausprobiert, aber mal eine Actionfigur unseres Roboter-Maskottchens Makey modelliert und bestellt. Nach Registrierung bei TinkerToys mit einer Mail-Adresse kann man sich mit Hilfe interaktive Einführungen die Funktionen der Werkzeuge im 3D-Baukasten erarbeiten. Dabei werden als Video nacheinander die Arbeitsgänge bei einem Beispielobjekt gezeigt und man vollzieht diese nach, wobei eine Markierung im 3D-Bauraum anzeigt, wo man die einzelnen Elemente platzieren soll. Auf ähnliche Weise funktionieren die sogenannten Bauanleitungen: Sie führen Schritt für Schritt durch die einzelnen Baustufen einer vorgegebenen Figur – und garantiert zum Erfolg, da ein Klick auf das Zauberstab-Symbol den gerade angezeigten Schritt automatisch durchführt.

Aus dem Make-Testlabor

Die Make-Redaktion probiert viel mehr aus, als ins alle zwei Monate erscheinende Heft passt. Deshalb veröffentlichen wir auf unserer Webseite in loser Folge weitere Testberichte.

Der Editor ist ähnlich komplex wie der beliebte 3D-Webdienst Tinkercad – viel einfacher lässt sich ein 3D-Modellierprogramm wahrscheinlich nicht aufbauen, wenn es ein Mindestmaß an gestalterischer Freiheit erlauben soll. Die ist bei TinkerToys durchaus gegeben, auch wenn eine große Zahl an bereits vorgefertigten Figurenköpfen, Drachenflügeln, Einhornkörpern, Fischschwänzen, Roboterhänden, Buchstaben, aber auch Klickverbindern, Drehgelenken und Legosteinnoppen zur Wahl steht.

Lustigerweise gibt es auch schon einen quaderförmigem Roboterkörper samt drehbarem, linsenförmigen Kopf darauf, der unserem Maskottchen Makey wie aus dem Gesicht geschnitten sieht. Im Test erwies es sich allerdings als nicht ganz einfach, ihm das charakteristische "M" im versenkten Kreis auf die Brust zu setzen. Denn der Editor lässt Objekte zwar an einem Grundgitter einrasten, aber es gibt keine Werkzeuge, um Formen aneinander auszurichten oder zu zentrieren. Auch fehlt eine Alternative zur perspektivischen Ansicht, etwa eine Aufsicht als Parallelprojektion, was die präzise Platzierung nach Augenmaß zusätzlich erschwert.

Makey in TinkerToys (5 Bilder)

Tinkercad ist als Vorbild von TinkerToys an vielen Stellen zu entdecken, so etwa bei der Marotte, neu erzeugten Modellen erst mal einen skurrilen Fantasienamen zu verpassen.

Nach etwa einer Stunde war es dann geschafft, der Makey trug sein M auf der Brust, schaute ganz manierlich drein, stand fest auf seinen Bärentatzen, hatte elf Gelenke und war durchgehend rot definiert – insgesamt stehen 12 Farben zur Wahl, die sich für jedes Teil einer Figur einzeln wählen lassen. Für einen ersten Versuch luden wir uns die 3D-Vorlagendateien herunter. Jedes Einzelteil steckte dabei in einer eigenen STL-Datei, trug im Dateinamen die gewünschte Farbe, und lag nicht unbedingt in der idealen Orientierung für den 3D-Druck vor, weshalb beim Eigendruck einiges an Erfahrung einfließen muss, um die Teile im Bauraum geschickt zu platzieren. Insbesondere in Bezug auf die gespaltenen Pins für die Drehgelenke von Armen und Beinen ist das nicht ganz einfach: Richtet man Objekte mit Pins daran so aus, dass die Pins liegen, braucht man oft viel Stützstrukturen; stehen die Pins im Druck, liegt die Schichtrichtung des Drucks quer dazu, was hohe Bruchgefahr mit sich bringt.

3D-Druck

Der Sammelbegriff 3D-Druck steht heute für ein ganzes Bündel von Fertigungstechniken, die nach unterschiedlichen Prinzipien funktionieren und sich jeweils nur für ganz bestimmte Materialien eignen. Ihr gemeinsamer Nenner: Alle Verfahren bauen dreidimensionale Objekte, indem sie Material in dünnen Schichten auftragen und verfestigen.

Das Angebot hinterlässt einen ambivalenten Eindruck. Positiv sticht heraus, dass man nach Anlegen eines kostenlosen Benutzerkontos ebenfalls gratis die kompletten STL-Dateien für selbst kreierte Figuren herunterladen kann. Der Druck von Figuren über TinkerToys selbst lässt sich nur dann in Auftrag geben, wenn zuvor genügend Guthaben aufgeladen wurde – wozu es ein eigenes Elternpassworts bedarf. So wird verhindert, dass Kinder ein Spielzeug nach dem anderen bestellen. Und im Vergleich zu anderen 3D-Druck-Dienstleistern ist die Fertigung ziemlich günstig – unser Test-Makey mit knapp 9cm Körperhöhe und etwa 100cm2 Volumen schlug mit 17 Euro plus 5 Euro Versand zu Buche. Bei niederländischen 3Dhubs hätte alleine schon der Körper ähnlich viel gekostet. Ferner wurde das Modell vor dem Druck noch mal inspiziert, worüber eine freundliche Mail informierte, damit sichergestellt ist, dass der Druck funktioniert. Nicht zuletzt ist uns aktuell kein anderer, ähnlich ausgestatteter 3D-Baukasten für bewegliche Figuren bekannt, seit Autodesk und Mattel ihre früher mal erhältlichen, ähnlich konzipierten Apps aus den Stores entfernt haben.

Ein paar Haken gibt es allerdings schon. Der gedruckte Test-Makey lässt schnell mal die Arme hängen, seine Kugelgelenke haben doch reichlich Spiel. Wie lange die Verbindungspins halten, wenn eine Figur intensiv bespielt wird, ist ebenfalls fraglich – TinkerToys selbst wählte für den Druck die Ausrichtung der Teile, bei der die Schichten quer zu den Pins laufen. Das Grundproblem bleibt aber, dass unserer Einschätzung nach die fertigen Figuren eher jüngere Kinder (6+) ansprechen, der 3D-Baukasten aber eher für ältere Kinder benutzbar ist, die die Ergebnisse wiederum langweilig finden werden.

Und so bleibt am Ende Plastikspielzeug – individuelles zwar, aber aben auch irgendwann langweilig und kaputt (zugegeben, mit einem eigenen 3D-Drucker im Haus sind auch die Ersatzteile schnell nachgedruckt ...). Zwar schreibt TinkerToys: "Unsere Kinderspielzeuge werden aus einem Bio-Kunststoff auf Maisstärkebasis hergestellt und sind zu 100% biologisch abbaubar." Doch das gilt prinzipiell für jedes PLA (wenn auch nur unter industriellen Bedingungen), ist also auch nicht anders bei dem Nippes, den man allzu oft auch auf der eigenen Maschine druckt. ()