Zahlen, bitte! 747SP SOFIA - das astronomische fliegende Auge von NASA, DLR und Boeing

Das Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie (SOFIA) ist in einer Boeing 747SP eingebaut und hat bereits eine bewegte Geschichte hinter sich.

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Zahlen, bitte! 747SP SOFIA - das astronomische fliegende Auge von Boeing
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Inhaltsverzeichnis

Die Idee klingt wie aus einem James-Bond-Film, ist aber Realität: Ein Infrarotstrahlen-Teleskop eingebaut in eine Boeing 747, die über dem Zielgebiet einfach automatisch eine Luke öffnet und wie ein fliegendes Auge den Weltraum sondiert.

Das Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie (Englisch: Stratospheric Observatory For Infrared Astronomy) SOFIA ist eine Gemeinschaftsentwicklung der amerikanischen Weltraumorganisation NASA und der deutschen Luft- und Raumfahrt-Organisation DLR. Es dient der Erforschung der fürs menschliche Auge unsichtbaren Infrarot-Strahlung.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Die Plattform für das Teleskop bildet eine Boeing 747SP. SP steht dabei für Special Performance, eine Variante des Jumbojets, die gegenüber der Grundversion (747-200) zwar kürzer ist, aber weiter und vor allem höher fliegen kann. Das kommt den Missionszielen entgegen, da die Sternbeobachtung in der Stratosphäre und damit in etwa 12 bis 14 km Höhe stattfinden muss.

Wirkt wie aus einem James-Bond-Film der 70er: Während des Fluges wird die Luke zum SOFIA-Hauptspiegel geöffnet.

(Bild: NASA/DLR)

Schließlich ist es Wasserdampf, der innerhalb der darunterliegenden Troposphäre einen großen Teil der Infrarotstrahlung absorbiert, sodass selbst die stationären Observatorien mit Standorten in über 4000m Höhe nur noch wenig der Weltraumstrahlung messen können. Das SOFIA-Teleskop hingegen kann in der darüber liegenden Stratosphäre bis zu 99% der Infrarotstrahlung messen.

Das SOFIA-Teleskop befindet sich im hinteren Bereich des Flugzeugs und wird während des Fluges durch eine 4 × 4 Meter große Luke backbordseitig für die Observation freigegeben.

Das Missions-Patch.

(Bild: NASA/DLR)

Spezielle Satelliten wiederum, wie das von den Messinstrumenten her zum Teil vergleichbare (und 2013 deaktivierte) Herschel-Teleskop können zwar aufgrund der fehlenden Atmosphäre die Infrarotstrahlung noch genauer als SOFIA messen, allerdings sind diese Systeme sehr teuer: Da es notwendig ist, die Messinstrumente auch im Weltraum durch verdampfendes Helium konstant auf etwa -271 °C zu halten, ist die Funktionszeit auf wenige Jahre begrenzt, da der Helium-Vorrat irgendwann aufgebraucht ist und danach dann das Teleskop nicht mehr verwendet werden kann.

Wartungsmissionen sind aufgrund der Entfernung von 800.000 km und mehr in der Regel undurchführbar. Selbst beim Hubble-Weltraumteleskop, das sich in Shuttle-Reichweite befand, stiegen die Kosten einer Wartung schnell auf über 500.000.000 Dollar.

Boeing 747SP SOFIA - Das fliegende Teleskop der NASA und DLR (9 Bilder)

Die Boeing 747SP mit geöffneter Luke, die den Blick frei gibt auf das in Deutschland entwickelte 2,7 Meter - SOFIA - Teleskop
(Bild: DLR/NASA)

Das SOFIA-Teleskop hingegen kann nahezu jederzeit gewartet werden. Es erfordert nicht einmal spezielle Start- und Landebahnen, was es sehr mobil macht. Und während ein Satellit durchaus 10 bis 15 Jahre Planungs- und Vorlaufzeit benötigt und die Instrumente beim Start dem dementsprechenden Stand sind, können Weiterentwicklungen bei SOFIA nach einer Entwicklungszeit von 3 bis 5 Jahren sofort eingebaut werden.

Herzstück des von den deutschen Firmen MT-Aerospace (früher: MAN-Technologie) und Kayser-Threde (Heute OHB) entwickelte SOFIA-Teleskops ist der 800 Kilogramm schwere Hauptspiegel mit 2,7 Meter Durchmesser. Das aufgenommene Licht wird auf einen 35,2 Zentimeter großen Sekundärspiegel aus Silizium-Karbid geworfen, der wiederum das gebündelte Licht auf einen 2-Ebenen-Tertiärspiegel wirft, Dieser wiederum reflektiert letztlich das Licht in die Instrumente. Da es mit einem aufwendigen Puffersystem in Hantelform gelagert und zudem noch die Luft aerodynamisch geschickt an der Öffnung vorbeigeleitet wird, ist das SOFIA-Teleskop unempfindlich gegen die äußeren Einflüsse einer solchen Mission.

Turbulenzen bis 0,5 g sollen für das System ausgleichbar sein. Auch extreme Temperaturschwankungen machen dem System nichts aus.

Weitere deutsche Instrumente: Das Heterodyn-Spektrometer GREAT (German Receiver at Terahertz Frequencies) und das Ferninfrarot-Spektrometer FIFI-LS (Far Infrared Field Imaging Line Spectrometer), Beides wichtige Instrumente zur Spektralanalyse.

Mehr Infos

- Amerikanisch-Deutsche Zusammenarbeit. Kostenbeteiligung im Verhältnis 80% zu 20%. Die Aufteilung der Forschungsstunden ist identisch.
- Spektralbereich von SOFIA: 0,3 - 1600 μm
- Primärspiegel: 2,7m, davon 2,5m effektive Öffnung, Blendenzahl f/1,28
- Blendenzahl des Gesamtsystems: f/19,6
- Gewicht: 17 Tonnen Teleskop, 3 Tonnen Zusatzinstrumente
- Routinebetrieb: 110-120 Flüge pro Jahr mit jeweils etwa 8 Stunden Messzeit
Sieben verschiedenene Instrumente:
- GREAT und FIFI-LS deutsche Instrumente
- FORCAST, HIPO, FLITECAM, EXES und HAWC+ als amerikanische Instrumente
- Flughöhe für astronomische Beobachtungen: Stratosphähre in 12-14 Kilometer
- Betriebspersonal: 3 Piloten, 15-30 Bediener/Wissenschaftler/Gäste
- Beginn Wissenschaftsbetrieb: Dezember 2010
- Voraussichtliche Betriebsdauer: 20 Jahre, derzeit bis 2020 gesichert durch Budget.

Doch wie kam es zum SOFIA-Teleskop? Einer der ersten Versuche, ein Infrarot-Teleskop mit einem Flugzeug zu verbinden, war Mitte der 60er das Lear Jet Observatory, ein 30 Zentimeter großes Teleskop, das in einem Learjet eingebaut war. Bereits damit konnten die beteiligten Forscher nachweisen, dass Saturn und Jupiter mehr Energie abstrahlen, als sie durch die Sonne absorbieren.

Lear Jet Observatory, Kuiper-Airborne-Observatorium und Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie im Größenvergleich.
Im Verhältnis sind die Teleskopgrößen zu erikennen.

(Bild: NASA/DLR)

Von diesen Ergebnissen ermutigt, entwickelte die NASA 1971 das nach dem Ideengeber Gerard Peter Kuiper benannte Kuiper Airborne Observatory (KAO). Der Spiegel war mit 91,5 Zentimeter immerhin schon 3 Mal so groß wie das des Learjets und wurde in eine Lockheed C-141A eingesetzt, einem ehemaligen Truppentransporter.

Bis 1995 war dieses Observatorium aktiv und hat unter anderem entdeckt, dass der Uranus ein saturnähnliches Ringsystem aufweist.