Organismen für den Weltraum

Die Erforschung der Biosphäre in den tieferen Schichten der Erdkruste steht erst am Anfang. Einige dort lebende Mikroorganismen könnten auch auf dem Mars bestehen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Mikrobiologe Dirk Wagner

(Bild: Karla Fritze/Universität Potsdam)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Dirk Wagner (55) leitet die Abteilung Geomikrobiologie im neu entstehenden Helmholtz-Labor GeoBioLab in Potsdam. Wagners Forschungsschwerpunkt liegt auf tief unter der Erde lebenden Bakterien und ihrem Einfluss auf das Leben auf der Oberfläche. Wir haben ihn zum Einfluss der tiefen Biosphäre befragt.

TR: Was sind Tiefenbakterien, und welchen Einfluss haben sie auf das Leben an der Erdoberfläche?

Wagner: Man weiß erst seit gut 20 Jahren, dass auch die tieferen Schichten der Erdkruste unterhalb der obersten zwei Meter von Bakterien und Archaeen besiedelt sind. Diese tiefe Biosphäre ist das größte zusammenhängende Ökosystem der Erde und umfasst den ganzen Globus. Ihr Stoffumsatz ist signifikant. Deshalb nehmen wir an, dass es eine Verbindung zwischen den Stoffwechselkreisläufen in der Tiefe und jenen an der Erdoberfläche gibt.

Mehr Infos

Wie beeinflussen die Tiefenbakterien denn das Klima?

Meine Gruppe untersucht unter anderem Bakterien in Permafrostböden, die stark im Fokus der Klimadiskussion stehen. Eine Hauptfrage dabei ist: Was passiert mit dem organischen Kohlenstoff – jenem in den Permafrost-Ablagerungen gespeicherten, abgestorbenen Pflanzenmaterial –, wenn diese Sedimente im Zuge der Klimaerwärmung auftauen. Wir untersuchen auch, welche Mikroorganismen im submarinen Permafrost, der in den flachen Schelfmeeren vor Sibirien vorkommt, an den Stoffumsetzungen beteiligt sind.

Welche Probleme kommen auf uns zu?

Durch Mikroorganismen wird in Permafrostgebieten Methan gebildet und freigesetzt. Das ist ein großes Problem für die Zukunft: Wenn es wärmer wird, taut immer mehr Permafrost auf, damit werden mehr organische Substanzen zu Methan umgesetzt. Das muss man aber in Relation zu anderen Prozessen sehen, die eine Senke für Methan bilden, indem sie dieses Methan zu CO2 umwandeln.

Also gibt es auch einen positiven Effekt?

Das Methan, das beim Auftauen des submarinen Permafrosts gebildet wird, wird durch ein Bakterien-Konsortium unter Ausschluss von Sauerstoff oxidiert und zu CO2 und anderen Verbindungen wie Schwefelverbindungen oder Stickstoffgas umgesetzt. Da Methan ein sehr starkes Klimagas ist, haben wir hier also einen biologischen Filter, der die Freisetzung von Methan vermindert.

Während des kurzen Sommers erwacht die sibirische Tundra zum Leben. Doch unter dem Wasser bleibt der Boden gefroren.

(Bild: Bernhard Edmaier / Science Photo Library)

Wie überleben die Bakterien in der Tiefe?

Sie sind sehr anpassungsfähig. In der Tiefe ist die steigende Temperatur der limitierende Faktor. Die Organismen, die wir kennen, halten maximal 113 Grad aus. Man findet diese speziellen Mikroben-Gemeinschaften oft in sogenannten Hotspots wie tektonischen Störungszonen, wo Flüssigkeiten und Gase wie CO2, Wasserstoff oder Methan nach oben steigen und Nährstoffe transportieren.

Was sind Ihre weiteren Forschungsgebiete?

Wir interessieren uns ebenfalls dafür, wie Bakterien nach Extremereignissen als Pionier-Organismen fungieren und zur Entwicklung der Habitate beitragen. Durch Bergstürze wird die ursprüngliche Oberfläche inklusive des vorhandenen Pflanzenbewuchses zum Beispiel komplett zerstört und mit Geröllmaterial bedeckt. Für die weitere Entwicklung spielen Mikroorganismen eine entscheidende Rolle, weil sie in der Lage sind, Stickstoff und CO2 aus der Atmo-sphäre zu binden, um damit Biomasse zu produzieren. Sie spielen auch bei der Verwitterung eine Rolle, bei der Nährstoffe freigesetzt werden, die dann für die nächsthöhere Stufe von Leben die Lebensgrundlage schaffen.

Welche weltraumbiologische Bedeutung hat Ihre Arbeit?

Wir haben einen neuen methanbildenden Mikroorganismus aus dem sibirischen Permafrost isoliert – Methanosarcina soligelidi. Er ist sehr resistent und auch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt aktiv. Er übersteht Gefriertau-Prozesse und Langzeit-Austrocknung, also Hungerzeiten. Und er ist extrem resistent gegenüber UV-Strahlen und radioaktiver Strahlung. Bei einer Marssimulation mit den Kollegen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt überlebten die Stämme tägliche Temperaturschwankungen zwischen minus 70 und plus 20 Grad.

Andere methanogene Archaeen, die nicht aus Permafrosthabitaten stammen, haben das nicht überstanden.

Sie testen also Mikroben auf ihre Weltraumtauglichkeit?

Wir waren ausgewählt, um auf der Internationalen Raumstation ISS ein Experiment durchzuführen. Da ging es darum, wie sich diese Organismen auf mars-analogen Mineralien unter einer Marsatmosphäre verhalten. Diese Proben analysieren wir allerdings noch. Das ist natürlich interessant, um zu verstehen, wie Leben in solchen extremen Habitaten überhaupt möglich ist und wo die Grenzen des Lebens letztendlich sind.

(anwe)