Fahrverbot-Überwachung im Bundestag: Massive Bedenken und großes Lob

In einer Bundestagsanhörung schieden sich die Geister von Experten an den von der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen zur Kontrolle von Diesel-Fahrverboten.

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Regierungsplan zur Fahrverbot-Überwachung: Massive Bedenken und großes Lob
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Gegner und Befürworter der von der Bundesregierung geplanten automatisierten Kontrolle von Diesel-Fahrverboten durch Kfz-Kennzeichenerfassung stießen am Mittwoch in einer Anhörung im Bundestag aufeinander. Malte Engeler, Richter am schleswig-holsteinischen Verwaltungsgericht, warnte vor massiven Eingriffen in die Datenschutzrechte der Bürger. Diese könnten mit dem "weiteren Bausteinchen in der Überwachungsinfrastruktur" nicht mehr erkennen, "wer wann was über sie weiß".

Engeler sieht damit "maßgebliche Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht erreicht", wie es sie etwa in seinem jüngsten Urteil zur Kfz-Kennzeichenüberwachung aufgestellt habe. Die automatische Kontrolle hätten die Verfassungsrichter zwar prinzipiell als möglich erachtet. Dafür sei neben der Gefahr für hohe Güter wie die Gesundheit aber auch stets ein "örtlicher Bezug" nötig, der hier fehle. Letztlich würde es den Behörden überlassen, die Schadstoffbelastung verfassungskonform zu reduzieren, was zu unbestimmt sei.

Forderungen, die Kontrollanlagen anderweitig zu nutzen, seien "so sicher wie das Amen in der Kirche", prognostizierte Engeler. Insgesamt wirke der Gesetzentwurf so, als ob damit das mildere Mittel der blauen Plakette verhindert werden solle.

Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) sprach von einem "Kontrollverhinderungsgesetz". Die Kennzeichenverordnung mit Plaketten habe sich bewährt, da damit allein in Berlin "die Dieselrußbelastung um rund 60 Prozent gesunken ist". Daher sollte das Verfahren um Schadstoffe wie Stickstoffdioxid erweitert werden. Dies helfe auch, die Hardware-Nachrüstung bei Betrugsdieseln zu beschleunigen. Im Gegensatz zu dem von der Regierung vorgeschlagenen aufwändigen, bürokratischen und teuren Verfahren lasse sich eine blaue Plakette zumindest im ruhenden Verkehr wesentlich einfacher auf einen Blick kontrollieren.

Um "stinkende Autos" aus den Städten fernzuhalten, gebe es bislang keine wirksame Prüfmöglichkeit, hielt der Jenaer Verfassungs- und Verwaltungsrechtler Michael Brenner dagegen. Ihm scheint der Entwurf "in jeder Hinsicht verfassungsgemäß". Enthalten seien zahlreiche Vorgaben, die der Rechtsprechung aus Karlsruhe entsprächen. So gebe es etwa "keine Überwachung ins Blaue hinein" mit einer "geheimen Maschinerie", die flächendeckend errichtet werde. Nötig sei auch immer ein Anlass, um Bildaufnahmen zu erstellen.

Eine neue Plakette taugt laut Brenner auch nicht, "weil sie den Fahrer nicht identifiziert", allenfalls den Halter. "Polizeikontrollen sind für Menschen durchaus gefährlich" gab Brenner zugleich zu bedenken. Die Polizisten müssten Verdächtige erst identifizieren und dann herausziehen, was auf einer vierspurigen Straße zu Problemen führen dürfte. Der Gesetzgeber dürfe nicht zu große Datenschutzhürden aufbauen, da beim autonomen Fahren die Frage der Überwachung der Sicherheit eine noch viel größere Rolle spielen werde.

Ganz ähnlich argumentierte Patrick Kaiser vom Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK): "Wir brauchen Technik, da Verbote sonst wirkungslos blieben." Plaketten könnten nur durch Anhaltekontrollen durchgesetzt werden, was den Verkehr zum Erliegen brächte. Dadurch verursachte Staus würden zudem zu einer erhöhten Umweltbelastung führen. Eine automatisierte Kontrolle schränke so am wenigsten die Handlungsfreiheit des Einzelnen ein und sei daher "insgesamt zumutbar". Er persönlich fahre auch freiwillig in Parkhäuser, in denen gescannt werde. Kaiser regte an, höchstens noch die aufgenommenen Fotos zu pseudonymisieren.

Im Namen des ADAC bezweifelte Markus Schäpe, ob das Kennzeichen-Scannen geeignet sei. So seien im zentralen Fahrzeugregister "nur fahrzeugbezogene Daten hinterlegt". Es fehlten also etwa Informationen, ob ein Diesel bereits nachgerüstet worden sei. Diese müssten zumindest ergänzt werden. Für ausnahmsweise Fahrberechtigte wie Schwerbehinderte, die Stadtverwaltungen bekannt seien, sollte zudem eine Positivliste eingefügt werden. Der Gesetzgeber müsse zudem erläutern, dass es nicht "nur um eine Ordnungswidrigkeit" gehe, sondern um die Luftreinhaltung und den Schutz der Anwohner.

Überwiegend praktische Bedenken brachte Thomas Kiel vom Deutschen Städtetag vor. So lasse sich die für die Lkw-Maut-Erhebung eingesetzt Technik nicht direkt auf die Fahrverbote-Überwachung übertragen. Die Kommunen wehrten sich auch gegen feste Säulen, da diese jeweils bis zu 120.000 Euro kosteten und "auf eine hundertprozentige Überwachung des Verkehrs hinauslaufen". Fahrverbote sollten ja auch nur auf Zeit bestehen. Die Polizei sollte daher allenfalls mobile Geräte anschaffen.

Gegenwärtige Kennzeichenscanner kosteten rund 50.000 Euro, berichtete Wolfgang Lang vom Bundesverband Verkehrssicherheitstechnik. Bei einem Treffer werde ein Dokumentationsbild mit dem Fahrer und "gewissen Daten" erstellt, gespeichert und verschlüsselt übertragen. Dieser Container werde "erst im Ordnungswidrigkeitsverfahren geöffnet und zur Ahndung freigegeben". Die Fristen dafür betrügen zwei Wochen. Erfasste Daten von anderen Verkehrsteilnehmer befänden sich in einem "flüchtigen Speicher" und würden sofort gelöscht. (anw)