Biotechnik: So gut wie ausgestorben

Es ist eine Rettungsmission in allerletzter Sekunde: Ein internationales Forschungskonsortium mit deutscher Beteiligung will versuchen, die Nördlichen Breitmaulnashörner vor dem Aussterben zu bewahren.

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So gut wie ausgestorben

(Bild: Jan Stejskal/Safari Park Dvur Kralove)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Diese Tierschutzaufgabe wird nicht einfach. Denn weltweit leben nur noch zwei weibliche Tiere im kenianischen Naturschutzgebiet Ol Pejeta. Die 27-jährige Najin und ihre 16-jährige Tochter Fatu sind allerdings nicht mehr gesund genug, um selbst Nachkommen zu bekommen. Deshalb haben die Forscher einen mehrgleisigen Rettungsplan entworfen.

Zum einen wollen sie von Najin und Fatu unter Narkose Eizellen entnehmen und sie mit früher gewonnenen Spermien Nördlicher Breitmaulnashörner im Reagenzglas befruchten. Ausgetragen würden die Embryonen dann von Südlichen Breitmaulnashorn-Weibchen. Diese Spezies ist nah genug verwandt und nicht vom Aussterben bedroht. Das Konsortium hofft, dass die Genehmigung für die Eizellentnahme bald erteilt wird, sagt Thomas Hildebrandt vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung.

Parallel dazu sollen Hybrid-Embryonen erzeugt werden. Dabei bringen die Forscher Eizellen und Spermien von Südlichen und Nördlichen Nashorn-Eltern zusammen. Wenn in Schritt eins genug rein Nördliche Breitmaulnashörner entstanden sind, könnte man die Hybrid-Nashörner mit diesen kreuzen und auf diese Weise die Gene der bedrohten Art wieder anreichern. Dafür sollen noch im Februar Eizellen von Südlichen Breitmaulnashorn-Weibchen in einem polnischen Zoo entnommen werden.

Das dritte Vorhaben ist das schwierigste. Dabei sollen zweierlei Stamzellenarten im Labor dazu angeregt werden, sich zu Eizellen und Spermien zu entwickeln. In einem ersten Zwischenschritt sollen dabei sogenannte Urkeimzellen entstehen. Diese wandern in der natürlichen Embryonalentwicklung in Eierstock beziehungsweise Hoden ein, wo sie sich zu Eizellen und Spermien entwickeln. Aus ihrer Verschmelzung würden dann im Labor Embryonen entstehen. An der Umwandlung der Stammzellen in die Urkeimzellen arbeitet gerade ein Doktorand in Hildebrandts Labor. Danach steht ihre Prüfung in Japan an, wo die Methode bei Mäusen entwickelt wurde. Die Forscher hoffen, dass für diese Forschung bald ein Fördergeldantrag bewilligt wird.

Für alle drei Strategien müssen die Forscher allerdings dasselbe Problem lösen: Das Einsetzen der künstlich gezeugten Embryonen in die Leihmütter ist wegen anatomischer Besonderheiten der Nashörner ziemlich schwierig. "Der 30 Zentimeter lange Gebärmutterhals ist stark gewunden und kinderarmdick", sagt Hildebrandt. Um einen Embryo bis zur Gebärmutter zu bringen, müssen die Forscher erst mal dafür geeignete medizinische Werkzeuge entwickeln.

Darüber hinaus ist das Milieu im Gebärmutterhals sehr empfindlich gegenüber Störungen. Deshalb ist der Geburtskanal bei trächtigen Tieren durch einen schützenden Schleimverschluss verklebt. Er müsste also nach dem Embryotransfer ebenfalls verschlossen werden. Auch hier laufen bereits Untersuchungen.

"Unser Ziel ist es, dass in den nächsten drei Jahren ein Nördliches Breitmaulnashorn-Kalb geboren wird", sagt Hildebrandt. Denn neben der genetischen sei auch die soziale Vererbung wichtig. Die Kälber sollen rechtzeitig genug zur Welt kommen, um noch bei Najin und Fatu aufwachsen zu können. So können sie von ihren nächsten Verwandten lernen, was es bedeutet, ein Nördliches Breitmaulnashorn zu sein.

(bsc)