Expert Days: Roboter helfen im Lager, aber vorerst nicht im Laden

Waren einsortieren im Supermarktregal ist für Roboter aktuell eine große Herausforderung. Auf den Expert Days diskutieren Experten, wie es funktionieren könnte.

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Expert Days: Roboter helfen im Lager, aber vorerst nicht im Laden

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

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  • Hans-Arthur Marsiske
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Alltag im Supermarkt: Ein Kunde greift nach einem Sechserpack Bier, ohne zu bemerken, dass ein anderer Kunde schon eine einzelne Flasche daraus entnommen hat. Prompt fallen eine oder mehrere Flaschen aus der nunmehr instabilen Verpackung und zersplittern auf dem Boden. Oder der Griff geht zu einem halb vollen Karton mit Getränkedosen, der sich beim Herausziehen aus dem Regal unter dem Gewicht der Dosen verbiegt, sodass einige umfallen. Einkaufen im Selbstbedienungsladen erfordert Geschicklichkeit, ebenso wie das Auffüllen der Regale durch Mitarbeiter.

Nikolaus Blümlein von der Lidl Stiftung GmbH illustrierte auf den Schunk Expert Days in Odense mit einigen Videos diese und ähnliche Herausforderungen, die derzeit noch dem Einsatz von Robotern in Supermärkten entgegenstehen. Angesichts des großen Anteils am gesamten Arbeitsaufkommen, sehe er das mit Abstand größte Potenzial für den Robotereinsatz zwar beim Auffüllen und Verwalten der Regale. Angesichts der Vielzahl der Produkte (rund 1700 bei Lidl) und der Vielfalt ihrer Formen und Verpackungen seien aber entweder extrem vielseitige Greifer erforderlich oder der Roboter müsse nach Bedarf zwischen verschiedenen Greifwerkzeugen wechseln können.

Zugleich müsse sich der Roboter jedoch auch ökonomisch lohnen, weswegen allzu komplizierte Techniken nicht in Frage kommen. Für einzelne Produkte seien derzeit wohl Vakuumgreifer die beste Lösung. Für größere Schachteln und Kartons favorisiert Blümlein eine Kombination aus Vakuumgreifer, der den Karton zunächst leicht anhebt, und einer Art Tablett, das dann unter den Karton geschoben wird. Das Verfahren wurde von der Firma Magazino für ihren Roboter Toru entwickelt, der jedoch für den Einsatz im Groß- und Versandhandel vorgesehen ist. Im Einzelhandel dürften die elektronischen Assistenten wohl noch eine Weile auf sich warten lassen.

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In großen Lagerhallen dagegen bewähren sich Roboter schon seit mehreren Jahren als Transporthelfer. Während sie anfangs noch ganze Regale hin und her fuhren, geht es nun mehr und mehr darum, gezielt einzelne Objekte aus den Regalen zu greifen. Um diese Technik voranzubringen, hat der Online-Händler Amazon in den Jahren 2015 bis 2017 die Picking Challenge veranstaltet.

Sebastian Höfer, der 2015 zum Siegerteam der TU Berlin gehörte und jetzt beim Amazon Development Center Germany arbeitet, berichtete, dass auch bei diesen Wettbewerben überwiegend Vakuumgreifer genutzt worden seien, die aber zunehmend mit Greifmechanismen kombiniert wurden. Es habe sich gezeigt, dass Roboter weiterhin dann die besten Resultate erzielten, wenn sie für eine spezifische Aufgabe konstruiert seien. "Die Hardware ist Teil der Lösung, nicht des Problems", spitzte Höfer diese Lehre zu. Eine offene Frage sei, wie ein Roboter mit Objekten umgehen solle, die er nie zuvor gesehen habe.

Roboter-Greifhände auf den Expert Days 2019 (3 Bilder)

Ob mit zwei Fingern ...
(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Ebenfalls schwierig ist das Greifen unterschiedlicher Gegenstände, die ungeordnet in einer Kiste liegen. Um hierbei voranzukommen, will Amazon Roboter verstärkt in Simulationen trainieren und nutzt für die Objekterkennung und Bildsegmentierung das Modell Mask R-CNN. Das sei der Stand der Technik, sagte Höfer. Allerdings könnten die in der Simulation gewonnenen Trainingsdaten nicht ohne weiteres in die Realität übertragen werden. Methoden wie Gaussian Edge Blurring und und Layer Freezing seien aber hilfreich, letztlich müssten die Simulationen aber mit real erhobenen Daten ergänzt werden. Die auf diese Weise trainierten Roboter könnten sich mittlerweile nahezu mit denen messen, die ausschließlich mit realen Daten trainiert wurden, sagte Höfer.

Die Picking Challenge wird nicht fortgesetzt. Stattdessen schreibt Amazon seit 2017 Research Awards in Höhe von bis zu 80.000 US-Dollar aus, um den Kontakt zur akademischen Forschung zu halten. Die Forscher werden dabei ermutigt, ihre Ergebnisse zu publizieren und als Open Source zur Verfügung zu stellen.

"Towards Open Robotics" lautet auch der Titel der diesjährigen Expert Days, die zum elften Mal stattfinden, aber zum ersten Mal nicht am Standort der Firma Schunk in Lauffen am Neckar, sondern in Odense, der drittgrößten Stadt Dänemarks, die sich seit der Gründung von Universal Robots zu einem Zentrum der Robotik entwickelt hat. Derzeit gebe es hier 129 Firmen mit 3600 Beschäftigten, sagte Søren G. Aarhus vom Branchenverband Odense Robotics. Der Bürgermeister von Odense, Peter Rabbæk Juel, ergänzte: Bis zum Jahr 2020 sollen es 4900 Beschäftigte sein und Odense soll die weltweit führende Roboterstadt werden. Für eine Stadt mit knapp 180.000 Einwohnern mag das sehr ambitioniert klingen. Aber es kann kaum ein Zweifel daran aufkommen, dass die Türen für Roboter hier offenbar weit geöffnet sind. (olb)