Frühchen: Mehr Liebe dank Klebesensoren

Frühgeburten müssen im Brutkasten intensiv überwacht werden. Um dabei den Körperkontakt zu den Eltern nicht abbrechen zu lassen, haben sich US-Forscher etwas einfallen lassen.

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Frühchen: Hautkontakt per Klebesensor

(Bild: Northwestern University)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Charlotte Jee
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Mehr als eines von zehn Babys kommen zu früh auf die Welt. Klein und fragil, müssen diese noch unreifen Säuglinge warmgehalten und laufend medizintechnisch beobachtet werden, meistens in einem Brutkasten. Deren Anblick ist oft herzzerreißend: Ein winziges Frühchen in eine Netz an Kabeln, umgeben von zahlreichen Geräten.

Ein neues Monitoringsystem, das Forscher an der Northwestern University in in Illinois entwickelt haben, soll das ändern – die vielen Drähte werden überflüssig. Stattdessen kommen ultradünne Hautaufkleber, sogenannte Patches zum Einsatz, die nur wenige Zentimeter breit sind und an Brust und Fuß der Babys angebracht werden.

Die Technik, erfunden von einem interdisziplinären Team, sieht aus wie ein durchsichtiges Pflaster und enthält alle Sensoren zum Tracking der Vitaldaten des Kindes. Die Klebesensoren sind die ersten ihrer Art, die zur Neugeborendiagnostik im Brutkasten keine Kabel oder Batterien benötigen.

Die Daten lassen sich direkt im Monitoringsystem sammeln und verarbeiten – dank integrierter Near-Field-Communication-Chips (NFC), die wiederum mit einem Bluetooth-Modul verbunden sind, dass die Daten an einen Computer senden. Die Sensoren werden über eine drahtlose Stromversorgung mit Energie ausgestattet.

Das System wurde bereits an mehr als 60 Babys in zwei Krankenhäusern in Chicago ausprobiert. Sie trugen die neuen Klebesensoren parallel zu traditionellen Monitoringsystemen und stellten sich als genauso präzise und akkurat dar, wie es in einer begleitenden Studie hieß.

John Rogers, der für die ingenieurstechnische Seite des Projekts verantwortlich zeichnete, glaubt gar, dass sein System genauer ist als aktuelle Medizintechnik. Das liege unter anderem daran, dass die Patches weniger anfällig für Störsignale sind, die entstehen, wenn sich das Baby bewegt und dabei an den Strippen zieht.

Noch wichtiger ist aber ein anderer Faktor: Die fehlenden Kabel machen es wesentlich leichter, Körperkontakt zu den Frühchen zu halten – durch die Eltern. Es gibt erste Nachweise dafür, wie wichtig dies in dieser Phase für die Kleinen ist. Auch das Füttern und Säubern der Babys wird durch die Klebesensoren vereinfacht.

"Stellen Sie sich ein kritisch krankes Neugeborenes vor, dessen Lunge und Herz nicht gut arbeiten. Stellen Sie sich weiterhin ein Medikament vor, das den Puls stabilisieren, die Nahrungsaufnahme verbessern und die Länge des Aufenthalts im Brutkasten verkürzen kann – und das völlig ohne Kosten und Nebenwirkungen. Das ist Haut-zu-Haut-Kontakt", erklärt Steve Xu, Dermatologe und Mitglied des Northwestern-Forscherteams.

Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass die bisherigen Systeme zu teils problematischen Hautverletzungen führen, weil die Drähte und Geräte mit starken Klebstoffen befestigt werden müssen. "Bis zu 15 Prozent der gesamten Haut wird jeden Tag durch diese Technik traumatisiert", so Xu. Die Klebesensoren seien viel sicherer für die Babys.

Das Forscherteam konnte mittlerweile Fördermittel von der Bill and Melinda Gates Foundation einwerben, um die Technik ab April im Sambia einzusetzen. Die Klebesensoren sind zwar in Ländern, in denen Brutkästen breit zur Verfügung stehen, bereits ein Segen. Fehlen die aber, sind sie quasi revolutionär. Haut-zu-Haut-Kontakt könnte dann helfen, die Temperatur der Babys zu stabilisieren.

Bis zum Ende des Jahres hofft Rogers, dass die Klebesensoren bei 20.000 Frühchen in Sambia zum Einsatz kommen. Mit diesen Erfahrungen soll die Technik dann weiter verfeinert werden – und Leben retten.

(bsc)