Demo gegen EU-Copyright-Reform / Artikel 13: "Wir sind nicht nur die Kinder von Google"

In Berlin gingen gut 3500 Menschen gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform und Upload-Filter sowie für das freie Internet auf die Straße.

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Demo gegen Artikel 13: "Wir sind nicht nur die Kinder von Google"

Demonstration in Berlin gegen die EU-Urheberrechtsreform am 2. März 2019

(Bild: Stefan Krempl / heise online)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Bei bedecktem Himmel, spätwinterlichen Temperaturen und eisigem Wind machten am Samstag in Berlin tausende Bürger (nach Angaben der Veranstalter gut 3500 Menschen) ihrem Unmut über die geplante europäische Copyright-Novelle Luft. "Wir sind kategorisch gegen Upload-Filter jeder Art", betonte Markus Beckedahl von Netzpolitik.org bei der Auftaktkundgebung vor dem Axel-Springer-Hochhaus. Damit werde eine "gefährliche Kontroll- und Zensurinfrastruktur eingeführt", die im Anschluss nur noch ausgeweitet werde.

"Ich bin Urheber und Verleger", konstatierte der Blogger. Trotzdem stehe er nicht hinter dem Richtlinienentwurf, der angeblich den Kreativen nützen solle. "Ihr offensichtlich auch nicht", wandte er sich an die zahlreich versammelten Demonstranten. Es seien "mehr Menschen auf der Demo" als es überhaupt Befürworter der Reform gebe. Diese stehe nicht für ein zeitgemäßes Urheberrecht, sondern für die Medienwelt von gestern. Viele der Versammelten seien durch das Netz auch Sender geworden, auf die der Gesetzgeber nun "mit der Schrotflinte" ziele.

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Gestärkt würden faktisch just die großen US-Plattformen, die die EU-Abgeordneten eigentlich an die Kandare nehmen wollten, erläuterte Beckedahl seine Kritik. Diese hätten schon Upload-Filter im Einsatz, die viele kleine Betreiber von ihnen lizenzieren müssten. Entgegen der Ansagen aus dem EU-Parlament und von dessen Berichterstatter Axel Voss (CDU) seien auch Memes gefährdet, da das bestehende Zitatrecht nicht ausreiche, um diese legal verwenden zu können. Genauso unwahr sei, dass mögliche Erlöse von dem vorgesehenen "Rohrkrepierer" Leistungsschutzrecht den Urhebern gehörten: Laut Artikel 12 müssten diese die Hälfte davon "mit Verlegern und Medienkonzernen teilen".

"Die Grundfeste des Internets soll in Frage gestellt werden", beklagte Pascal Fouquet von Savetheinternet.info. Auch kleinste Plattformen müssten laut Artikel 13 "für jegliche Inhalte" quasi "mit allen Menschen auf der Welt" Lizenzen abschließen. Mit dem Leistungsschutzrecht werde zudem Clickbait-Journalismus gefördert, nicht Qualität. "Wir haben noch vier Wochen Zeit, in denen wir was reißen müssen", unterstrich der Aktivist. "Wir sind nicht nur die Kinder von Google." An die Mitstreiter appellierte er: "Überzeugt eure Großeltern. Erklärt ihnen, warum das Scheiße ist."

"Wir sind in Sorge um die Demokratie in Europa und die freie Meinungsäußerung", ergänzte Markus Reuter vom Verein Digitale Gesellschaft. "Wir sind auch wütend, denn wir wollen die Upload-Filter nicht." Sollte die Reform in Kraft treten, "werden unsere Videos nicht mehr auf YouTube erscheinen, weil irgendein Schnipsel eines geschützten Werks dabei ist". Die Politiker wollten zudem "immer mehr". Sie würden das Zensurinstrument bei der ersten sich bietenden Gelegenheit ausweiten und die Presse- und Meinungsfreiheit einschränken. Keiner Regierung dürften "solche gefährlichen Werkzeuge" in die Hand gegeben werden.

Demonstration gegen die EU-Copyright-Reform am 2.3.2019 in Berlin (22 Bilder)

(Bild: Stefan Krempl / heise online)

Dass vor allem konservative Volksvertreter die Gegner als Bots, Marionetten von Google oder als "Mob" beschimpften, "uns einseitige Propagandavideos vorspielen" sowie "uns ganz offen ins Gesicht lügen", wertete Reuter als Zeichen der Angst. Es gelte, die "Bewegung für ein freies Internet" noch zu vergrößern und etwa auch Spontan-Proteste bis hin zu "Sitzblockaden vor dem örtlichen CDU-Büro" zu organisieren. Die Klimabewegung habe gezeigt, wie das selbst während der Schulzeit gehe.

YouTuber wie Willboy hatten extra für die Kundgebung Demosongs erstellt. "Wir sind keine Bots!", rappt er darin. "Wir wollen die Freiheit." "Seid laut!", fordert er die Zuschauer auf. "Wir wollen keine Artikel, die unsere Kultur zensieren." Sonst drohe "alles, was wir teilen", verloren zu gehen. Ein Lied gegen Artikel 13 hat auch
auch MaximNoise auf der Plattform verbreitet.

Zu dem Protest aufgerufen hatte das Bündnis Berlin gegen 13. Es wird getragen vom Chaos Computer Club (CCC), der Digitalen Gesellschaft, dem Journalistenverband Freischreiber und dem Frauen-Hackerspace Heart of Code. Der mehrere hundert Meter lange Zug führte am Bundesjustizministerium vorbei zur Vertretung der EU-Kommission unweit vom Brandenburger Tor.

Ende August 2018 hatte ein europaweiter Aktionstag gegen das damals im EU-Parlament schon beratene "Zensurheberrecht" in Berlin nur rund 200 besorgte Bürger angelockt. Inzwischen haben sich die Verhandlungsführer der EU-Gremien auf die Copyright-Reform geeinigt, die Mitgliedsstaaten und der federführende Rechtsausschuss des Parlaments die Initiative bereits bestätigt. Fehlt nur noch die Abstimmung im Plenum, die voraussichtlich Ende März erfolgen soll.

Kein Wunder, dass da die Beteiligung an dem Marsch in der Hauptstadt nun deutlich höher ausfiel als beim letzten Mal. Zumal gerade viele YouTuber seit Wochen Kampagnen gegen Artikel 13 fahren und so an den vergangenen Wochenenden bereits mehrere tausend überwiegend junge Leute auf die Kölner Straßen brachten.

Die Initiative Urheberrecht, die nach eigenen Angaben rund 140.000 Urheber und Künstler zusammen mit 35 Mitgliedsorganisationen vertritt, hat derweil mit großer Sorge auf die aktuelle Debatte reagiert. Man werde es nicht akzeptieren, dass die Diskussion "auf irreführende Kampfbegriffe verengt wird", heißt es bei dem Zusammenschluss. "Und wir nehmen es nicht hin, dass uns im Namen unserer Freiheit die faire Anerkennung unserer Leistungen verweigert werden soll. Wir stehen für Kunst- und Meinungsfreiheit. Wir leben sie täglich und füllen sie aus."

Der erarbeitete Richtlinienentwurf führe "nicht zu einer Einschränkung des Internets und schon gar nicht der Meinungs- und Kunstfreiheit", unterstreicht die Initiative. "Es besteht zurzeit eher die Gefahr, dass einige große Plattformen das Internet dominieren und zensieren, die Verteilung von Inhalten nach intransparenten Kriterien steuern und auf Kosten der Medien- und Kreativschaffenden ihre Marktdominanz ausbauen können", warnte ihr Sprecher Gerhard Pfennig. Sollte das Parlament das Dossier ablehnen, wäre dies "auch eine Entscheidung gegen die vitale und vielfältige Kultur- und Medienlandschaft in Europa". (tiw)