Section Control: Bürgerrechtler klagen gegen Streckenradar

Ein Datenschutzaktivist vom Freiheitsfoo und ein Pirat wollen das Streckenradar an der B6 bei Hannover vor dem Verwaltungsgericht zu Fall bringen.

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Straßenverkehr

(Bild: dpa, Patrick Pleul/Archiv)

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Die seit Anfang des Jahres eingesetzte Radaranlage "Section Control" auf der B6 bei Hannover stellt einen "eklatant unverhältnismäßigen" und letztlich nicht erforderlichen Eingriff in Grundrechte dar. Mit diesem Kernargument will Michael Ebeling von der Bürgerrechtsorganisation Freiheitsfoo das umstrittene niedersächsische Streckenradar kippen. Er hat dazu am Donnerstag in Kooperation mit dem Juristen und Piraten Patrick Breyer Klage beim Verwaltungsgericht Hannover eingereicht.

"Ich halte das Recht, sich grundsätzlich anonym im öffentlichen Raum fortbewegen und reisen zu können für ein besonders hohes Gut einer freiheitlich und an der Würde des Menschen orientierten Gesellschaft", begründet der Datenschutzaktivist den Schritt. Section Control sei "ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der Zersetzung dieses Freiheitsrechts" und damit verfassungswidrig. Dies wolle er nun gerichtlich feststellen lassen.

Laut der Klageschrift geht es auch um die grundsätzliche Frage, ob ein solches Überwachungssystem mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu vereinbaren ist. Der Kläger moniert zunächst, dass für das Streckenradar nach wie vor eine gesetzliche Grundlage fehlt. Diese soll erst mit der Reform des niedersächsischen Polizeigesetzes geschaffen werden, die seit Langem umkämpft ist und daher erst in den nächsten Wochen oder Monaten vom Landtag beschlossen werden kann.

Sollte das Polizeigesetz verabschiedet werden, haben sich der Kläger und sein Berater bereits darauf vorbereitet, "sämtliche Gerichtsinstanzen zu durchlaufen". So wollen sie in diesem Fall beantragen, dass das Verwaltungsgericht die Angelegenheit dem Bundesverfassungsgericht vorlegt.

Die Datenschutzaktivisten zweifeln unter anderem die Gesetzgebungskompetenz des Landes an. Während die allgemeine Verkehrsüberwachung etwa durch Polizeikontrollen auf Maßnahmen der Gefahrenabwehr ziele, werde bei der Abschnittskontrolle der fließende Verkehr systematisch mithilfe automatisierter Messeinrichtungen ohne polizeiliches Einschreiten überprüft, um bußgeldbewehrte Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit festzustellen, zu dokumentieren und zu ahnden.

Um Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen, sei es nicht nötig, "lückenlos, verdachtslos und wahllos jegliches Fahrzeug zu fotografieren", heißt es in der Klageschrift weiter. Als milderes und wirksameres Mittel stünden die herkömmlichen Radarkontrollen zur Verfügung, die zudem deutlich günstiger seien. Section Control erkenne aufgrund einer Fehlerrate von etwa fünf Prozent schätzungsweise jede 20. Geschwindigkeitsüberschreitung nicht. Selbst Raser könnten so "immer wieder ungestraft passieren", moniert Breyer. Letztlich bereite die Technik den Weg für eine "immer weiter reichende wahllose Massenkontrolle der gesamten Bevölkerung".

Zuvor hatte bereits ein Anwalt aus Hannover gegen das Pilotprojekt geklagt und einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Hannover gestellt. Er stützt sich dabei laut Berichten auch auf das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach das in vielen Bundesländern praktizierte Kfz-Kennzeichenscanning teilweise nicht mit dem Grundgesetz in Einklang steht. (mho)