Der Hipster-Effekt oder: Science in a nutshell

Hipster sein oder nicht sein, das ist hier die Frage: Wie ein Artikel über einen Fachaufsatz erschien und sich dessen Hypothese in der Leserreaktion bestätigte.

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Wissenschaft kann manchmal so herrlich einfach sein: keine langjährigen Untersuchungen, keine ausschweifenden Tests. Manchmal bestätigt sich die Hypothese schlicht durch eine Leserreaktion. Ein kleines Anschauungsbeispiel dazu lieferten in der vergangenen Woche unsere Kollegen der amerikanischen Technology Review. Sie veröffentlichten einen Artikel über ein Paper, das sich mit dem sogenannten Hipster-Effekt beschäftigte. Es wurde darin festgestellt, dass Hipster, die mit ihrem Outfit und Styling gegenüber dem Mainstream einen Kontrapunkt setzen wollen, letztlich doch aussehen wie all die anderen Non-Konformisten, die sich ebenfalls von der Masse abheben wollen. 34 Seiten, komplexe Formeln und Interaktionsmodelle sind dazu nötig. Und dabei hätte es auch so einfach sein können.

Man kann sich allerlei Gründe vorstellen, mit denen ein solcher Artikel respektive das Paper Leserreaktionen hervorrufen kann. Doch diese kleine Geschichte nimmt eine ungeahnte Wendung. Technology Review hatte den Artikel mit einem Stockfoto von Getty bebildert. Darauf zu sehen: ein junger Mann mit Beanie-Wollmütze, einem stoppeligen Vollbart und einem trendigen Hemd. Alles in allem also durchaus eine Spielart des Prototypen Hipster, wie man ihn in Großstädten häufiger sieht.

Nach der Veröffentlichung des Textes erreicht die TR-Redaktion eine wütende E-Mail eines Lesers. Der behauptet, der Mann auf dem Foto zu sein. Er wirft der Redaktion Verleumdung vor, weil man impliziert habe, er sei ein Hipster. Zudem habe man das Foto ohne seine Genehmigung benutzt. – Na, war dieser Plosttwist vorhersehbar? – Nach der Überprüfung der Nutzungsrestriktionen stellt der Chefredakteur Gideon Lichfield in einem Tweet fest, dass man betonen sollte, dass es sich um ein Model handelt, wenn man das Bild in einem unvorteilhaften Zusammenhang nutzt (etwa im Kontext von Texten über sexuell übertragbare Krankheiten). Das Thema Styling fällt da nicht unbedingt darunter.

Ein Anruf bei der Fotoagentur Getty sollte letztlich Klarheit darüber bringen, ob der aufgebrachte E-Mailverfasser als Model seine Erlaubnis gegeben hat. Es stellt sich heraus: Er ist gar nicht das Model auf dem Foto. Und Lichfield bringt es einem weiteren Tweet auf den Punkt: „Er hat sich nicht erkannt. Das belegt widerum die Geschichte des Artikels: Hipster ähneln sich so sehr, dass sie sich selbst gar nicht mehr erkennen.“ Hypothese bestätigt – ein klarer Fall von "Science in a nutshell".

(jle)