DNA-Test auf Typ-2-Diabetes

Das Gentest-Unternehmen 23andMe schickt seinen Millionen von Kunden einen neuen Bericht über ihr Diabetes-Risiko. Das Potenzial solcher Analysen ist groß, doch Experten halten den Schritt für verfrüht.

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DNA-Test auf Typ-2-Diabetes

(Bild: Photo by Sharon McCutcheon on Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Antonio Regalado
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23andMe, das Unternehmen aus dem Silicon Valley, das DNA-Tests direkt an Verbraucher vermarktet, wirbt mit dem Motto "Jeder hat ein Recht auf seine genetischen Informationen". Jetzt hat es eine potenziell kontroverse neue Krankheitsvorhersage auf den Markt herausgebracht: eine DNA-Analyse, die über das genetische Risiko dafür informieren soll, dass eine Person Typ-2-Diabetes bekommen wird. Noch im März sollten mehrere Millionen Kunden diese Information erhalten, kündigte 23andMe an.

Die Analyse basiert auf einem polygenetischen Risikowert, bei dem DNA-Informationen im gesamten Genom berücksichtigt werden. Im Fall des neuen Diabetes-Tests werden laut 23andMe Informationen von 1244 unterschiedlichen Stellen im Genom eines Menschen untersucht, wobei jede davon einen kleinen Anteil an der Gesamt-Risikobewertung hat.

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Ungefähr 80 Prozent der Kunden werden erfahren, dass ihre spezielle DNA ein durchschnittliches Risiko für sie bedeutet, 20 Prozent müssen mit einer erhöhten Diabetes-Wahrscheinlichkeit rechnen. Nur die Personen in der Gruppe mit höherem Risiko werden das genauere Berechnungsergebnis erhalten (zum Beispiel eine Wahrscheinlichkeit von 3 zu 5 über das gesamte Leben gesehen).

Experten äußern Kritik an dieser Art von Berichten. Polygenetische Bewertungen seien zwar viel versprechend, aber nicht sehr exakt, und sie brächten keine belegten Vorteile für die Gesundheit. „Ich halte das für ein riesiges Experiment“, sagt Peter Kraft, ein Epidemiologe an der School of Public Health der Harvard University. „Es wird für Millionen Menschen angeboten, aber es gibt noch viel, was wir nicht wissen.“

Anfang März stellte 23andMe Medien einen exemplarischen Bericht zur Verfügung, für einen imaginären Kunden lateinamerikanischer Herkunft namens Jamie. Demnach besteht für Jamie eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, im Lauf seines Lebens Diabetes zu bekommen. Anschließend wird ihm empfohlen, für 19,99 Dollar im Monat eine Coaching-App namens Lark auszuprobieren, die von einem Partner von 23andMe angeboten wird.

Grundlage für die Risiko-Berichte sind neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Mit DNA von genügend Menschen ist es inzwischen möglich, statistische Modelle zu entwerfen, die anhand der DNA von einzelnen Personen Voraussagen für deren wahrscheinliche Merkmale erlauben. Möglich ist das außer für Diabetes zum Beispiel für Brustkrebs, eine besonders geringe Körpergröße oder einen überdurchschnittlichen IQ.

Im vergangenen Jahr wurden mindestens 216 wissenschaftliche Aufsätze zu solchen polygenetischen Risikowerten veröffentlicht. Das Konzept schaffte es auch auf die Liste der 10 bahnbrechenden Technologien 2018.

Für seine Diabetes-Prognosen hat 23andMe nach eigenen Angaben seine enorme Sammlung an DNA-Daten genutzt und mehr als 70.000 Kunden analysiert, die angaben, unter Typ-2-Diabetes zu leiden; hinzu kamen mehrere Millionen, bei denen das nicht der Fall war.

Für das Unternehmen ist das Potenzial der Scoring-Technologie erheblich. In einem Förderantrag bezeichnet es „hochgradig skalierbare und genaue Einschätzungen von Krankheitsrisiken“ als die „nächste Phase“ seiner Forschungsarbeit. Ob Risiko-Berichte auch für andere Krankheiten geplant sind, will 23andMe aber derzeit nicht sagen.

Im Jahr 2013 zwang die US-Regierung das Unternehmen, eine lange Liste von Gesundheitstests zurückzuziehen, weil deren Genauigkeit nicht belegt sei und sie Menschen dazu bringen könnten, unnötige medizinische Maßnahmen zu ergreifen. Viele der Tests, darunter auch einer auf Typ-2-Diabetes, basierten ebenfalls auf polygenetischen Indikatoren.

Seit damals hat die Forschung jedoch Fortschritte gemacht und die Regulierung ist lockerer geworden. Laut 23andMe gibt es für den neuen Diabetes-Tests keinerlei regulatorische Vorgaben. Denn er fällt unter eine Ausnahmeregelung für Tests mit geringem Risiko und Telefon-Apps, die nur Empfehlungen zu „allgemeiner Wellness“ bieten, keine echte medizinische Beratung oder Diagnosen.

„Dass sie diesen Weg gehen würden, war absolut abzusehen“, sagt Cecile Jansen, eine Epidemiologin an der Emory University. „Es ist zwar noch viel zu früh, dieser Art von Informationen zu verbreiten, aber 23andMe findet, dass das keine Rolle spielt, solange man ehrlich auf die Schwächen hinweist.“

Besonders lückenhaft sind die genetischen Prognosen für Afroamerikaner. Denn das Modell von 23andMe basiert auf DNA von weißen Menschen europäischer Abstammung, die den Großteil seiner Datenbank ausmachen. Die Folge davon ist, dass die Voraussagen für andere Bevölkerungsgruppen weniger Aussagekraft haben.

(sma)