Lasst mich einfach schlafen

Die Zeitumstellung steht an. Wie wichtig gesunder Schlaf ist, hat die Technikindustrie längst erkannt. Muss das sein?

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Von
  • Cosima Ermert
  • Cosima Ermert

Ende des Monats ist Zeitumstellung. In der Nacht auf den 31. März wird uns wieder eine Stunde Schlaf gemopst – statt zwei ist es plötzlich drei Uhr. Verfechter des gesunden Schlafs stöhnen auf. Die 1980 teils als Energiesparmaßnahme, teils als Harmonisierung der europäischen Binnenmärkte eingeführte Sommerzeit plagt Milchkühe, SchülerInnen und Arbeitnehmer jetzt seit fast vierzig Jahren.

Oft wird von negativen Folgen der Zeitumstellung für die Gesundheit gesprochen. Nun will die Europäische Union sie abschaffen – Stichwort Cloxit. Gegner des Uhrenverdrehens hofften auf eine Durchsetzung des Beschlusses in diesem Jahr. Wie die Welt berichtet wird es aber eher 2021 – „wenn überhaupt“. Denn jeder Staat hat eine eigene Meinung. In Deutschland scheint die Vorliebe für die Sommerzeit zu überwiegen. Wie zu erwarten war ruft auch das wieder Kritiker auf den Plan. Gerne zitiert wird in diesem Zusammenhang ein Interview der Süddeutschen Zeitung mit Chronobiologe Till Roenneberg von der LMU München. Eine dauerhafte Sommerzeit fördere beispielsweise Diabetes heißt es da. Oder: "Wir werden dicker, dümmer und grantiger."

Was für ein emotionales Thema der Schlaf sein kann, hat auch die Technikbranche vor ein paar Jahren erkannt. Seit dem ersten Armband, das unsere Schlaf- und Wachphasen trackt, werden wir mit Gadgets und Apps zugeballert, die uns perfekt schlummern lassen sollen. Sie alle können grob in die Kategorie „Ich helfe dir, gut zu schlafen“ und „Ich sage dir, dass du nicht gut schläfst“ eingeteilt werden. Danke, aber das merke ich vor der ersten Tasse Kaffee selber.

Der perfekte Morgen eines liquiden Konsumenten sähe für diverse Firmenchefs wohl so aus: Erfrischt wache ich auf, sanft geweckt durch mein smartes Nachtlicht, und ziehe mir meine ebenso intelligente Schlafbrille vom Gesicht. Vor dem Zubettgehen habe ich mit meinem Muse Stirnband meine aufgebrachten Gehirnströme sortiert. In meinem Arm liegt – gut gebaut und anschmiegsam – ein Somnox Kissen, das mir über Atmungskontrolle und „Zuneigung“ den Prozess des Schäfchenzählens erleichtert hat. Mein Bett hat heute Nacht entweder seine Temperatur automatisch reguliert, mich in den Schlaf geschaukelt oder über eine smarte Matratzenunterlage alle meine Daten überwacht und an mein Handy geschickt.

Ich streife mir mein Fitbit Armband vom Handgelenk – alternativ meinem Motiv Ring vom Finger – und kann auf meinem blaulicht-gefilterten Handydisplay in der zugehörigen App nachlesen, was mein praktisches Gadget von meinem Schlaf hält. Puh, heute keine morgendliche Rüge von meiner technischen Gouvernante. Ich habe durchgeschlafen. Weil ich an einer viel befahrenen Straße wohne, habe ich mir die ganze Nacht Windesrauschen auf meinen Slepbuds angehört, die sanft die Umgebungsgeräusche überdecken. „Sound Masking“ heißt das. Das Wasserplätschern ist mir beim Schlafen noch eine Nummer zu anspruchsvoll.

Die Flut an Gadgets hat Schlaf zu einem weiteren Opfer des modernen Selbstoptimierungswahns gemacht. Das geht sogar so weit, dass Forscher im Journal of Clinical Sleep Medicine von einer neuen Schlafstörung sprechen: Orthosomnia. Betroffene Personen fühlen sich durch ihre Tracker so unter Druck gesetzt gut zu schlafen, dass sie es schlichtweg gar nicht mehr können.

In der Kindheit brauchte es nur ein Mega-Gadget, um perfekten Schlaf zu bekommen: Teddy. In Anbetracht der zunehmenden Bereitschaft, sein Wohlbefinden von technischen Helferchen abhängig zu machen, wünsche ich mich manchmal in diese Zeiten zurück.

(cose)