CRISPR-Experten fordern globales Keimbahn-Moratorium

Namhafte Gen-Editier-Experten rufen zu einer fünfjährigen Pause für Genscheren-Eingriffe bei Eizellen und Spermien auf. In dieser Zeit sollen Richtlinien erarbeitet werden, ob und wann die Technik in der Keimbahn einsetzbar sein soll.

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CRISPR-Experten fordern globales Keimbahn-Moratorium
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Von
  • Niall Firth
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Nach dem ersten „International Summit on Human Gene Editing“ im Dezember 2015 veröffentlichten die Organisatoren eine einstimmige Erklärung: Genetisch veränderte Kinder zu erschaffen ist unverantwortlich, außer das Verfahren ist absolut sicher.

Das hat nur nicht wirklich viel gebracht. Wie Technology Review im November 2018 enthüllte, hatte der chinesische Wissenschaftler He Jiankui trotzdem mit der CRISPR-Genschere das Erbgut zweier Embryonen verändert, um sie vor HI-Viren zu schützen. Die Kinder kamen letztes Jahr in China auf die Welt. Nun wollen auch andere Gruppen die Technologie zur Optimierung von Menschen nutzen.

Das veranlasste führende CRISPR-Wissenschaftler wie Emmanuelle Charpentier, Eric Lander und Feng Zhang – einige von ihnen gehörten zu den Unterzeichnern der Erklärung von 2015 –, Mitte März im Fachjournal „Nature“ ein globales Moratorium für Eingriffe in die menschliche Keimbahn zu fordern. Vererbbare Genveränderungen in Spermien und Eizellen sollen solange verboten sein, bis internationale Richtlinien genau festlegen, wie sie reguliert werden sollten. Die Unterzeichner halten einen Zeitraum von fünf Jahren für angemessen. Kollegen aus sieben verschiedenen Ländern und auch die National Institutes of Health in den USA schlossen sich dem Aufruf an. Die Unterzeichner hoffen, dass ein freiwilliges globales Moratorium den nächsten He Jiankui davon abhalten wird, für weitere unwillkommene Überraschungen zu sorgen.

Die Gruppe sagt, dass diese Moratoriumsphase Zeit dafür biete, die „maßgeblichen technischen, wissenschaftlichen, medizinischen, gesellschaftlichen, ethischen und moralischen Fragen“, zu diskutieren, bevor die Technik angewendet werden könne. Länder, die sich dazu entschließen, die Keimbahn zu bearbeiten, sollten dies erst tun, wenn sie die Öffentlichkeit über ihre Absicht informiert haben. Sie sollten auch internationale Konsultationen „darüber führen, wie klug es wäre, dies zu tun“ und darüber hinaus sicherstellen, dass im Land ein „breiter gesellschaftlicher Konsens“ für den gewählten Pfad besteht.

„Die Welt könnte zu dem Schluss kommen, dass der klinische Einsatz von Keimbahnangriffen eine Grenze darstellt, die zu keinem Zweck überschritten werden sollte“, sagt die Gruppe. „Alternativ könnten einige Gesellschaften die genetische Korrektur für Paare erlauben, wenn es keinen anderen Weg für sie gibt, biologisch verwandte Kinder zu haben – dann aber bei allen anderen Formen der genetischen Verbesserung eine Grenze ziehen. Gesellschaften könnten eines Tages auch eine eingeschränkte oder aber breite Nutzung solcher Verbesserungen befürworten.“

Die Unterzeichner des Briefes schlagen vor, dass die Keimbahnforschung erlaubt sein sollte, solange keine Absicht besteht, Embryonen zu implantieren und Kinder zur Welt kommen zu lassen. Der Einsatz von CRISPR zur Behandlung von Krankheiten in nicht reproduktiven somatischen Zellen (bei denen die Veränderungen nicht vererbbar wären) sollte ebenfalls möglich sein, solange alle beteiligten Erwachsenen nach einer Aufklärung ihre Einwilligung gegeben haben.

Eine genetische Verbesserung sollte zu diesem Zeitpunkt nicht erlaubt sein, und es sollte keine klinische Anwendung durchgeführt werden, es sei denn, ihre „langfristigen biologischen Folgen sind hinreichend verstanden – sowohl für Individuen als auch für die menschliche Spezies“, schreiben sie.

Wir wissen immer noch nicht, was die Mehrheit unserer Gene tut, daher sind die Risiken unbeabsichtigter Konsequenzen oder sogenannter Off-Target-Effekte – gut oder schlecht – enorm. Das Ausschalten des CCR5-Gens, mit dem He Jiankui die beiden Kinder vor HIV schützen wollte, wurde beispielsweise mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für Komplikationen und Todesfällen bei Virusinfektionen in Verbindung gebracht.

Änderungen in einem Genom können auch für zukünftige Generationen unvorhergesehene Folgen haben. „Unsere Spezies auf der Grundlage unseres derzeitigen Wissensstandes neu zu gestalten, wäre Hybris“, heißt es in dem Brief.

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Das vorgeschlagene Moratorium und die globalen Rahmenbedingungen sind nur freiwillig – und es ist unwahrscheinlich, dass sie Schurkenwissenschaftler aufhalten werden. Die Unterzeichner glauben jedoch, dass ein regelmäßiges Verbot und eine Regulierung zu „starr“ wären. Stattdessen hoffen sie, dass ihr Vorschlag zumindest „eine Bremsschwelle für die aller-abenteuerlichsten Pläne zur Umgestaltung der menschlichen Spezies darstellen wird.“

In der Tat hat Chinas Gesundheitsministerium, durch die Erfahrungen mit He Jiankui zur Einsicht gebracht, ihrerseits Geschwindigkeitsschwellen eingerichtet. Anfang März wurden Richtlinien entworfen, die chinesische Wissenschaftler zwingen wird, eine behördliche Genehmigung einzuholen, bevor sie riskante Prozeduren wie das Bearbeiten der Keimbahn durchführen.

(vsz)