Frische Hits der Menschheitsgeschichte

Ihr seid Musiker oder Musikerinnen und wollt eine neue Hörerschaft erschließen? Das SETI bietet mit seinem Projekt Earthling einen extraterrestrischen Distributionskanal.

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Mehr als 40 Jahre sind die Voyager-Sonden bereits im All unterwegs – und mit ihnen die bekannten Goldenen Schallplatten. Neben der Beschreibung, wie man die Platte abspielt, enthält sie kodierte Fotos, Grußbotschaften aus aller Welt und 90 Minuten Musik aus allen Teilen und Epochen der Erde. Doch seit dem Start der Sonden 1977 ist viel Zeit vergangen und Kompositionen von Bach, Mozart, Beethoven und Chuck Berry sind zwar immer noch beeindruckende Elemente der Musikgeschichte. Doch ein Update für alle Extraterrestrischen, die das Abo „Weltmusik“ gebucht haben, könnte nicht schaden – das dachte sich vielleicht das SETI-Institute (Search For Extraterrestrial Intelligence), das kürzlich auf der South by Southwest-Konferenz das Projekt „Earthling“ vorstellte.

Nicht nur die Mittel, um Musik zu produzieren, haben sich seit 1977 verändert, auch die Kooperationsmöglichkeiten unter Künstlern haben sich – dank Internet – erweitert. Das wirkt sich auf die Musik selbst aus und ermöglicht es Musikern, neue Hörerschaften zu erreichen, die sich über geografische Grenzen und Ethnien hinweg definieren, so der Ansatz des Projekts. Es ist Teil von SETIs Artist-In-Residence-Programm, das den Austausch zwischen Wissenschaftlern und Künstlern födern will.

Man könnte meinen, das neue Projekt ist ein weiteres Beispiel für PR, die millionenschwere Ausgaben im Bereich der Weltraumerkundung und Raumfahrt rechtfertigen soll. Doch in Earthling steckt ein spannender, neuer Aspekt. Denn SETI bietet die tatsächliche Chance der Mitwirkung von uns als Erdbewohner, ein Space-Crowd-Projekt gewissermaßen. Es gibt vier Phasen: In Phase 1 soll eine Datenbank mit gesungenen Beiträgen aufgebaut werden. Das können Kinderlieder, spirituelle Lieder oder Trauergesänge sein (sie sollen sich optimalerweise in die Kategorien Geburt, Leben und Sterben einordnen lassen). In Phase 2 werden 500 Ausschnitte aus der Datensammlung gewählt und zu einem siebenteiligen Musikstück namens Earthling zusammengefügt und mit Sounds aus dem Weltall, elektronischen Samples und einem Orchester bereichert. Auf dem Gelände des ATA (Allen Telescope Array) in Kalifornien ist damit dann ein Konzert geplant. In Phase 3 sind Musiker aufgefordert aus den Samples der Datenbank durchgängige Musikstücke zu komponieren. So sollen eine Reihe von Alben entstehen, die sich an der Gesamtheit der verschiedenen globalen Genres und Musikstilen bedienen. In der vierten Phase gelangt die musikalische Vielfalt der Welt gewissermaßen wieder zurück zum einzelnen Erdbewohner, denn geplant ist eine App, die Zugriff auf die Stimm-Datenbank bietet und es ermöglicht damit wiederum eigene Stücke zu kreieren. Diese neuen Kompositionen können wiederum in der Datenbank hinterlegt werden.

Und das SETI wäre nicht das SETI, wenn es nicht auch den optimalen Distributionskanal hätte, um ausgewählte Kompositionen schließlich ins All zu schicken. Dort können dann potenzielle Außerirdische in den Genuss der Neuauflage der Golden Record kommen und so in die neuesten Hits der Menschheitsgeschichte hineinhören. Phase 1 der Stimmsammlung soll noch dieses Jahr starten. Wann genau, darüber kann man sich direkt informieren lassen.

(jle)