Auf der Spur der inneren Uhr

Wer nicht zur richtigen Zeit schläft, kann ernsthaft krank werden. Aber was ist die richtige Zeit? Daten aus Wearables geben Antworten.

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(Bild: Djim Loic on Unsplash)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Markus Steiner (Name von der Redaktion geändert) weiß schon im Voraus, dass er am 31. März schlecht gelaunt aufwachen wird. An diesem Wochenende findet nämlich die Umstellung von Winter- auf Sommerzeit statt, und sein Körper wird gegen den Verlust von einer Stunde Schlaf wieder heftig rebellieren. „Ich brauche meist mehrere Wochen, um mich halbwegs an die Zeitumstellung zu gewöhnen. Ich bin jeden Morgen müde und gereizt. So richtig atme ich erst wieder auf, wenn die Winterzeit anfängt“, sagt Steiner. Das liegt wohl daran, dass er ein ausgeprägter Nachtmensch ist, im Volksmund eine Eule. Er muss schon im Winter früher aufstehen, als es seine innere Uhr vorgibt, und schlafen gehen, wenn er nicht müde ist. Die Sommerzeit zwingt ihn, noch früher aufzustehen.

So schlecht ergeht es bei der Zeitumstellung nicht jedem. Doch die doppelte Uhrenumstellung pro Jahr verschärft trotzdem für Lerchen wie für Eulen und alle Misch-Chronotypen dazwischen ein grundlegendes Problem: Schlafmangel. Für Schlafforscher Matthew Walker von der University of California Berkeley steht fest: Wer nicht genug und erholsam schläft, macht sich auf Dauer krank, steigert sein Risiko für Krankheiten wie Diabetes, Alzheimer, Depression und Krebs und verkürzt damit seine Lebenszeit. Schlafen wir zu wenig, nehmen wir auch leichter zu und torpedieren Abnehmversuche. Der Brite warnt seit Jahren in launig präsentierten, aber eindringlichen Vorträgen vor den Gefahren des Schlafmangels und appelliert an Ärzte, statt Schlafmitteln tatsächlich Schlaf zu verschreiben.

Die Studienlage ist so eindeutig, dass auch die Weltgesundheitsorganisation Schlafmangel zur Epidemie erklärt hat. Auch das im Alter nachlassende Erinnerungsvermögen könnte mit daran liegen, dass sich in dieser Zeit unser Schlaf signifikant verschlechtert, schreibt Walker im 2018 erschienenen „Das große Buch vom Schlaf“. Forscher kartierten, wie unsere innere Uhr tickt und wie wir immer mehr den Kontakt zu ihr verloren haben. Das moderne Leben mit seinem elektrischen Licht, der Schichtarbeit, dauernden Erreichbarkeit und den Möglichkeiten nächtlicher Unterhaltung haben uns aus dem Takt gebracht. Wir gehen bis zu zwei Stunden später ins Bett als unsere Vorfahren vor hundert Jahren. Das Problem Schlafmangel hat auch ernsthafte wirtschaftliche Konsequenzen: Weltweit verursacht Schlafmangel jährlich Schäden in Milliardenhöhe (USA: 411 Milliarden Dollar, Japan 138 Milliarden Dollar, Deutschland 60 Milliarden Dollar), schreibt Walker.

Wie aber schlafen wir wieder besser? Diese Frage konnten Schlafforscher lange nur in Laboren stellen, in denen Probanden aufwendig verkabelt liegen mussten. Doch nicht alle Antworten lassen sich in einer so fremden Umgebung finden, sagt Chronobiologe Till Roenneberg von der Münchener Ludwig-Maximilians- Universität. Er ist einer von Deutschlands bekanntesten Experten, wenn es um den circadianen, also den Tag umfassenden Rhythmus von Schlafen und Wachsein geht. Wie viel Schlaf man zum Beispiel braucht und wie man objektiv bestimmen kann, was gute Schlafqualität ausmacht, könne nur eine Langzeitvermessung des Schlafs im eigenen Bett erhellen. Der Blick in Millionen Schlafzimmer gelingt mithilfe von Wearables, also am Körper getragene Minicomputer. Auf diese Weise lassen sich Studien mit riesigen Probandenzahlen durchführen und gleichzeitig individuelle Lösungen für Schlafprobleme finden.

(rot)