Post aus Japan: Prepping made in Nippon

Japans Bauindustrie ist groß, der Markt gereift. Neue Produkte sollen helfen, sich von der Konkurrenz abzusetzen – zum Beispiel das Katastrophenschutzhaus.

vorlesen Druckansicht
Post aus Japan: Prepping made in Nippon

(Bild: Daiwa House Industry)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Nicht nur die Geographie hat einen Einfluss auf die Architektur von Häusern. Früher hieß das in Japan, dass sich die Menschen um das Klima kümmerten. In Japan werden Häuser für den Sommer gebaut, wird mir immer entgegengehalten, wenn ich mich über schlechte Isolierung und undichte Fenster aufrege. Schnell auskühlen sollten die Gebäude, um den Menschen eine ordentliche Nachtruhe zu bescheren. Denn vor der Erfindung der Klimaanlagen war Hitze schwerer auszugleichen als Kälte. Die Wände waren daher dünn, die Holzrahmen von Fenstern schlossen nicht dicht – wenn es überhaupt schon Fenster und nicht nur die mit Papier bespannten Fenstertüren gab.

Doch mit dem Fortschritt der Bau- und Klimatechnik sowie dem wachsenden Wohlstand spielen nun andere Faktoren eine Rolle: etwa die Sorge vor Erdbeben und anderen Desastern. Das rückt den Typus Katastrophenschutzhaus stärker in den Fokus. Der Hausbaukonzern Daiwa House Industry wird im April ein Haussystem einführen, das nicht nur gegen die unmittelbaren Folgen eines Erdbebens oder Taifuns schützt, sondern auch vor den mittelbaren wie Stromausfall. Das Unternehmen verspricht, dass das Haus bei einem Stromausfall sich zehn Tage selbst versorgen kann, Kühlschrank, Fernseher, Mikrowelle und heißes Badewasser inklusive. Bis dahin sollte nach einem Erdbeben die Elektrizitätsversorgung erfahrungsgemäß wieder hergestellt worden sein.

Post aus Japan
Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Das Unternehmen kombiniert dafĂĽr verschiedene bekannte Techniken wie eine Solaranlage, eine Brennstoffzelle fĂĽr die Erzeugung von Wasser und Strom und eine Speicherbatterie. Der Konzern stattet die Batterie zudem mit einer Schaltanlage aus, sodass sie bei Stromausfall auch von der mit Gas betriebenen Brennstoffzelle geladen werden kann.

Zusätzlich baut das Unternehmen "Dämpfer" in die Wände, um die Schwingungen von Erdbeben zu reduzieren. Spezielle Dachziegel sollen bei Taifunen besser dem Einschlag herumfliegender Gegenstände widerstehen. Und ein extradickes Laminatglas bietet zusätzlich Schutz bei Desastern und Einbruchsversuchen.

160 dieser Häuser hofft der Konzern pro Jahr zu verkaufen. In einem Markt, in dem jährlich etwa eine Million Häuser gebaut werden, ist diese Absatzzahl zwar klein. Aber das Beispiel zeigt, dass die Baukonzerne und Baumaterialhersteller immer stärker auf Innovation setzen, um sich in einem tendenziell schrumpfenden Markt von der Konkurrenz abzuheben. Mit seinem Autarkiesystem übertrumpft der Häuslebauer Daiwa den Rivalen Sekisui House, der für sich in Anspruch nimmt, als erster Solar-, Brennstoffzellen und Batterien kombiniert zu haben.

Wie notwendig es ist, sich gegenseitig zu überbieten, zeigt die Entwicklung der Bautätigkeit. Seit dem Immobilienboom in den 1980 Jahren hat sich die Zahl gebauter Wohneinheiten von 1,7 auf unter eine Million reduziert. Dennoch konkurrieren viele Firmen in diesem verkleinerten Markt, der durch den Bevölkerungsschwund noch weiter schrumpfen dürfte.

Die Unternehmen setzen neben Erdbebensicherheit und Klimaschutz strategisch andere Akzente. Die Hausbausparte des Elektronikkonzerns Panasonic beispielsweise fokussiert sich in der Außendarstellung auf smarte und energieerzeugende wie -sparende Häuser sowie den Bau ganzer Viertel. In einer Stadt südlich von Tokio hat der Konzern beispielsweise vor Jahren die Sustainable Smart Town Fujisawa entwickelt, Brennstoffzellen des Konzerns inklusive. Zudem versucht PanaHome (Panasonic Homes), im Ausland zu expandieren.

Toyotas Fertighaussparte ToyotaHome wiederum setzt mit seiner Stahlrahmenkonstruktion auf weite Räume und vor allem Beständigkeit. Das Unternehmen bietet 60 Jahre Garantie für Einfamilienhäuser an. In einem Land, in dem die durchschnittliche "Lebenserwartung" eines Einfamilienhauses bisher weniger als 30 Jahre betrug, scheint das ein bisschen Overkill zu sein. Gleichzeitig ist es für mich ein Zeichen, dass Japans Hausqualität nun auch an die Standards anderer Länder heranreicht.

ToyotaHome argumentiert aber lieber mit dem Faktor Geld. Die Menschen würden im Schnitt mehr als 80 Jahre alt werden. Ein Hausbaukredit läuft 35 Jahre. Warum also sollte sich ein junger Japaner für ein Haus entscheiden, dass nach 30 Jahren nicht mehr lebenswert ist. Und auch wie die lange Lebensspanne erreicht wird, stellt der Konzern klar: Stahlskelett, industrielle Fertigung und die Leidenschaft des qualifizierten Personals.

Und wirklich ist ein Besuch in einer Hausfabrik von ToyotaHome eindrucksvoll. In gewisser Weise gleicht sie einem Autowerk. Die containergroßen Stahlrahmen werden zum Rostschutz in Zinkbäder getaucht. Danach fertigen die Arbeiter in der Fabrik die Häuser mitsamt Tapeten vor. Denn nach Toyotas Überzeugung ist Massenfertigung dem Einzelprodukt qualitativ überlegen. Danach werden die Teile zum Baugrund transportiert und auf das bereits gegossene Fundament gesetzt.

Auch bei Baumaterialien gibt es Fortschritte. Der frühere Filmhersteller Fujifilm hat beispielsweise gerade ein Nanocoating vorgestellt, das die Oberfläche von Beton versiegeln und damit dauerhafter machen soll. Die Technik für ultrafeine Partikel stammt interessanterweise aus der Herstellung fotografischer Filme und Kosmetik. Damit können auch Betonhäuser länger als bisher konserviert werden. Japans Bauphilosophie steht damit vor einem Sprung in eine neue Epoche, weg von Einweghäusern hin zu beständigen Bauten – die hoffentlich im Sommer nicht mehr so schnell auskühlen wie traditionelle japanische Häuser.

()