Vorwärts in die Kuhzunft

Mit stiller Leidenschaft widmen sich Kenner einer speziellen Gattung von Serious Games: den Berufssimulatoren.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter Glaser

Reporter Sebastian Tyzak berichtet von einem Landwirtschaftssimulatoren-Event aus Spelle im Emsland. "Videospiele sind einfach der absolute Überkracher", vermerkt er zuvor in einem Trailer, in dem ausgelassene Spiele-Animationen angetaktet werden, Explosionen, Fantasietiere, spektakuläre Perspektiven. Vor Ort in Spelle geht es ruhiger zu. Ein Referent informiert Entwickler über ein Strohbergungs-Add-on für den Landwirtschaftssimulator. Man merkt, dass Tyzak als konventioneller Gamer sich dem ungewohnten Genre nicht recht zugehörig fühlt, "in dem auf bieder-realistische Weise Knallerthemen wie Busfahren" abgehandelt werden – auf konventionelle Weise, könnte man auch sagen. Aber er berichtet, wie es sich für seinen Job gehört.

Klingt russisch, wenn man versucht, das Kürzel der Sendereihe, in der sogar Berufssimulatoren aus dem Schatten treten dürfen, wie einen Namen auszusprechen – RBTV. Aber das wollte ich gar nicht erzählen. Es könnte auch eine kroatische Insel sein, aber lassen wir das. Rocket Beans TV wird von der Hamburger Produktionsfírma Rocket Beans Entertainment gemacht, und die Raketenbohnen wissen sehr gut, dass eine junge, netz-, technik-, und gaming-affine Zielgruppe nicht nur auf bestimmte Arten von Sendungen abfährt, sondern auch auf deren gekonnte Verhohnepipelung. Bei der wöchentlichen RBTV-Sendung Game Two (der Nachfolge von Game One) bekommt man deshalb schon mal das Doppelte des Üblichen geboten, wenn beispielsweise die Moderatoren nicht einfach nur Moderatoren sind, sondern zugleich auch Moderatorenverhohnepipler, also ein ebener plus metaebener, man könnte auch sagen: passend spielerischer Umgang mit dem Medium gepflegt wird.

Die Game Two-Sendung Nummer 50 hat sich den Berufssimulationen verschrieben (nicht zuletzt der gekonnten Journalismussimulation). Die Mehrzahl herkömmlicher digitaler Games bezieht ihren Reiz aus attraktiven Animationen in Kombination mit einer guten Geschichte. Aber es gibt auch diese anderen Simulatoren, die nichts weiter tun, als etwas, das es tatsächlich gibt, möglichst perfekt zu simulieren. Etwa Flugsimulatoren. Die waren schon in der Frühzeit der PC-Ära beliebt, als von realistischer Darstellung noch keine Rede sein konnte. Es gibt also einfach eine reine Liebe zur Simulation, anders ist es nicht zu erklären, weshalb Menschen auf ruckelnde Dreiecke am Bildschirm starren und so tun, als sei das der Flughafen von Seattle. Um die modernen Versionen dieser Art von Software geht es in der Sendung – Berufssimulatoren wie etwa Erntemaschinensimulatoren für Landwirte. Vorwärts in die Kuhzunft!

Aber ob LKW-Fahrer, Autobahn-Polizist oder Landwirt – Berufssimulatoren haftet der Ruf an, qualitativ wenig hochwertige Spielerlebnisse für Nischenfans zu bieten. Die journalistische Überprüfung des Vorurteils gelingt in mehrfacher Hinsicht erfolgreich, Moderatorenverhohnepiplung inklusive. Zudem wird eine interessante Verwandtschaft zu den sogenannten Walking Games festgestellt, in denen man, manchmal geradezu meditativ, ohne von einer Uhr angetrieben zu werden, herumspazieren kann. Winfried Diekmann, Geschäftsführer der auf Simulatoren spezialisierten Aerosoft GmbH, macht dem Scifi-Shooter-verwöhnten Reporter klar, dass das Ganze gar nicht so ein nischiges Thema ist: "Wenn man sich die All-Time Steam Charts anguckt und sieht, dass da ganz vorne ein Euro Truck Simulator mit vier Millionen Usern dabei ist, dann ist das nicht so weit von Call of Duty entfernt." Warum manche Menschen in ihrer Freizeit etwas machen, das andere als Beruf ausüben, etwa Busfahren oder einen Truck lenken? Vielleicht, um sich einen Traum zu erfüllen.

(bsc)