Kryptowährung: "Mit Bitcoins habe ich wenigstens eine Chance!"

In Venezuela lässt sich Carlos Hernandez als freier Journalist für seine Arbeit in Bitcoins bezahlen.

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Kryptowährung: "Mit Bitcoins habe ich wenigstens eine Chance!"

(Bild: André François McKenzie on Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Der Ökonom Carlos Hernández (26) lebt in Caracas und schreibt als freier Journalist viel für US-Medien. Würde er jedoch seine Ersparnisse in der Lokalwährung Bolívar behalten, wäre das angesichts der galoppierenden Inflation "finanzieller Selbstmord". Deshalb versucht er seine Auftraggeber zu überzeugen, ihn in Bitcoins zu bezahlen. Das Interview, das in der neuesten Ausgabe von Technology Review erschienen ist, wurde per E-Mail geführt, weil häufige Stromausfälle ein Telefonat unmöglich gemacht haben.

TR 4/19

TR: Wie kommt man in Venezuela derzeit an Bargeld?

Carlos Hernández: Der Zugang zu Bargeld ist seit Jahren ein Problem. Die Banknote mit dem höchsten Wert von 500 Bolívar ist gerade mal 15 US-Cent wert. Allerdings funktionieren Geldautomaten meist nicht, und kein Geschäft akzeptiert noch kleine Banknoten. Meine Debitkarte wiederum funktioniert in den Supermärkten oft nicht. Ich muss also nicht nur viele Läden aufsuchen, um Produkte wie Kaffee oder Milch zu finden, sondern auch einen finden, in dem ich bezahlen kann.

Carlos Hernández vertraut Bitcoins statt Bolívars.

(Bild: privat)

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Warum ist die Lage mit Bitcoins besser?

So habe ich wenigstens eine Chance, in der Konkurrenz um die immer knapper werdenden Güter bestehen zu können.

Was muss man tun, um Bitcoins in Bolívars umzutauschen?

Ich habe meine Bitcoins bei Localbitcoins.com, das ist eine Peer-to-Peer-Börse, die Nutzer machen also untereinander Geschäfte, so ähnlich wie bei eBay. Habe ich jemanden gefunden, der bei derselben Bank ist wie ich – damit die Überweisung sofort durchgeht –, mache ich ein Angebot. Wenn der Käufer schnell reagiert, dauert das Ganze nur fünf Minuten.

Und wie kommen Sie an die Bitcoins?

Am einfachsten ist es, wenn ich einen Arbeitgeber davon überzeugen kann, mich in Bitcoins – oder jeder anderen Kryptowährung – zu bezahlen. Denn venezolanische Banken nehmen nur Bolívars an. Es ist wirklich verrückt, was wir uns alles ausgedacht haben, um die Währungskontrolle zu umgehen. Ich habe zuerst PayPal ausprobiert. Aus Venezuela heraus ist es jedoch schwierig, an ein PayPal-Konto zu kommen, weil man dafür ein US-Bankkonto braucht. Große Unternehmen erwarten ebenfalls, dass ich eins habe. Das hat nur funktioniert, indem ich das Konto eines Freundes in den USA angab und er ein Dokument unterschrieb, mit dem er bestätigt, dass er die Dollars für mich erhält. Dann überweist er das Geld von seinem PayPal-Konto auf meins.

Inzwischen habe ich den Finanzdienstleister Payoneer entdeckt, der ein US-Bankkonto bereitstellt, und nutze ihn für große Unternehmen, die keine Bitcoins verwenden. Das Problem ist dann allerdings, dass Payoneer- oder PayPal-Geld in Bolívars umzuwandeln. Ich würde viel verlieren. Ich kann also dieses Geld nicht ausgeben, solange ich in Venezuela lebe.

Was machen Menschen, die sich mit Bitcoin-Technologien nicht so gut auskennen?

Es gibt tatsächlich eine Art Wettrüsten unter den Kryptowährungen in Venezuela, um zu sehen, wer die zuverlässigste und einfachste Methode für ihre Verwendung anbieten kann. Digitale Geldbörsen sind heutzutage sehr leicht zu benutzen. Der schwierige Teil ist der Umtausch in Bolívars und wieder zurück. Es gibt keinen Mangel an Anleitungen für diese Technologien, aber Kryptowährungen können für die meisten schon sehr einschüchternd sein. Die meisten Menschen sind aber schlicht zu arm, um sich ein Smartphone zu leisten oder Datenguthaben zu kaufen. Schließlich fehlt hier manchmal selbst etwas so Einfaches wie Erkältungsmedizin. Dann müssen wir uns mit einer heißen Limonade begnügen, Heilpflanzen verwenden, die wir zu Hause ziehen, oder einfach abwarten, bis die Erkältung vorüber ist. Aber es gibt Krankheiten, bei denen man nicht einfach abwarten kann, und das ist wirklich beängstigend. Nahrungsmittel- und Medikamentenmangel sind meine größten Sorgen als Venezolaner.

Dieses Interview und weitere Artikel lesen Sie in der neuen April-Ausgabe von Technology Review (ab sofort im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich).

(jle)