13.000 CRISPR-Editierungen in einer Zelle

Gentechniker aus dem George-Church-Labor wollen Organismen mit großen DNA-Veränderungen umbauen.

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13.000 CRISPR-Editierungen in einer Zelle

(Bild: Photo by Ousa Chea on Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Antonio Regalado
Inhaltsverzeichnis

Seit seiner Erfindung hat der Gen-Editierungsprozess CRISPR Forschern erlaubt, DNA-Veränderungen an spezifischen Orten im Genom vorzunehmen. Diese präzisen Modifikationen werden üblicherweise einzeln und schrittweise durchgeführt. Doch dabei dürfte es künftig nicht bleiben.

Ein Team an der Harvard University hat nun demonstriert, dass es möglich ist, mit dem Verfahren 13.200 genetische Veränderungen an einer einzelnen Zelle vorzunehmen. Das ist für CRISPR ein Rekord.

Die Gruppe, die unter der Leitung des bekannten Gentechnikers George Church steht, will das Genom in einem deutlich größeren Ausmaß umschreiben, als das bislang möglich ist. Ziel ist es ultimativ, eine Art "radikales Neudesign" einer Spezies zu erreichen. Das gilt sogar für den Menschen.

Eine solche große Gen-Editierung wurde schon früher erprobt. 2017 versuchte ein australisches Team unter der Leitung von Paul Thomas, das Y-Chromosom einer Maus mit Veränderungen zu bombardieren, um es letztlich zu zerstören. Mit dieser Strategie könnte es künftig eine Behandlungsform unter anderem für das Down-Syndrom geben, einer genetischen Erkrankung, die von einem zusätzlichen Chromsom gekennzeichnet ist.

Um den neuen CRISPR-Rekord zu packen, nutzten die Church-Teammitglieder Oscar Castanon und Cory Smith das Verfahren, um eine besondere Art der DNA-Sequenz anzugehen, LINE-1 genannt, deren sich wiederholende Elemente über das menschliche Genom verteilt vorfinden, ohne dass der Grund dafür klar wäre. Die genetischen Elemente, die sich selbst kopieren können, sollen rund 17 Prozent unseres Genoms ausmachen.

Weil CRISPR die Doppelhelix aufschneidet, können zu viele Editierungen zur gleichen Zeit eine Zelle abtöten. Diese Gefahr hat frühere Versuche großangelegter Genomveränderungen verhindert. Geoff Faulkner von der University of Queensland in Australien, berichtet, dass er 2016 versucht hat, Line-Elemente in 500 Mäuseembryonen auszuschalten. Ziel war es, zu entdecken, ob sich das Verhalten der Tiere verändern würde. Allerdings überlebte keines der Tiere, um sich zu vermehren.

Gen-Editiermethoden - eine kleiner Einblick (6 Bilder)

Das System aus CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) und der Cas9-Nuklease haben die Molekularbiologinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier 2012 entdeckt. Dank seiner einfachen Handhabe und geringer Kosten erlebt die Gentherapie derzeit ein Revival.
(Bild: Text: Inge Wünnenberg; Grafik: Brian Sipple)

Um dieses Problem zu vermeiden, nutzte das Harvard-Team eine CRISPR-Variante, die sich "Base Editor" nennt. Dabei wird das Schneiden der DNA vermieden und stattdessen genetische Buchstaben getauscht – etwa aus einem C ein T gemacht.

Laut dem Vorabdruck der Studie war es so möglich, in einigen Zellen 13.000 Veränderungen gleichzeitig zu machen, ohne diese zu zerstören. "Sie fanden einen Weg, zu experimentieren, ohne dass es schwerwiegende Genom-weite Instabilitäten gab", sagt Faulkner.

Andere Forscher sind allerdings weniger beeindruckt, meinen, dass die Arbeit nicht den entscheidenen Schritt darstellt, mit dem großflächiges Gen-Editing möglich wäre. Gaetan Burgio von der Australian National University hält die Idee, dass die Technik eine radikale Umgestaltung einer Spezies erlaubt, für "deutlich übertrieben".

Church sieht in solchen Verfahren jedoch eine Methode, das Genom aufzuräumen, indem genetischer Müll entfernt wird, der darin steckt. 2015 gelang es seinem Labor beispielsweise, alle 62 Kopien eines Retrovirus zu zerstören, die im Genom von Schweinen steckte. Solche Viren können sich reaktivieren, weshalb die Züchtung von Schweinen ohne sie ein Sicherheitsschritt ist, wenn einmal Organe der Tiere zum Menschen transplantiert werden sollen.

Mehr Infos

Ein Spinoff aus Churchs Labor, eGenesis, erstellt bereits Schweine mit zahlreichen Veränderungen ihrer Organe, so dass sie besser vom Menschen vertragen werden.

Church hofft, dass es eines Tages möglich ist, menschliche Organe oder Gewebe zu schaffen, deren Genom zu allen Viren immun ist. Dieser Prozess, den man Recoding nennt, würde 9811 präzise genetische Veränderungen verlangen, glauben die Forscher. Churchs Labor arbeitet gerade am Recoding seiner eigenen Zellen. Daraus sollen dann sichere "universelle Stammzellen" werden.

(bsc)