Einschneidende Veränderungen durch das Haager Übereinkommen

Im Ausland ergangene Urteile sollen nach dem Haager Übereinkommen im Heimatland des Beklagten durchgesetzt werden. Europäische Gerichte müssten zum Beispiel US-Urteile durchsetzen.

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Von
  • Florian Rötzer

Das "Haager Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil-und Handelssachen" soll in den Zeiten des globalen Handels die gerichtliche Zuständigkeit bei wirtschaftlichen Streitfällen regeln. Dabei geht es um die Anerkennung ausländischer Urteile, unter anderem bei Vertragsverletzungen, beim Wettbewerbsrecht sowie bei Industrie- und Handelsgeheimnissen.

Privatpersonen, Organisationen und Firmen können zwar schon jetzt vor ausländischen Gerichten verklagt werden, aber es ist schwierig, ausländische Urteile im Heimatland durchzusetzen. Das Übereinkommen würde es möglich machen, in einem der 47 Vertragsstaaten verklagt zu werden, wobei das Heimatland des Beklagten das im Ausland ergangene Urteil durchsetzen müsste.

Besonders problematisch wird dieses Abkommen, wenn es auch auf die "Immaterialgüterrechte" angewendet wird. Beispielsweise beim Austausch von Software und Musik über das Internet könnte jeder Internetnutzer die Folgen des Übereinkommens zu spüren bekommen. Schon das Betreiben einer Webseite oder der Download von Daten jeder Art würden durch solch eine Äderung erheblich risikoreicher und mit der Gefahr verbunden, sich in Unkenntnis der Feinheiten des Rechts von Zypern oder Surinam vor Gericht verantworten zu müssen. Die zahlreichen rechtlichen Unterschiede könnten dazu führen, dass die Kläger jeweils die für sie günstigsten Standorte suchen.

Weil der Vertragsentwurf keine Garantie des Rechts auf freie Meinungsäußerung vorsieht, könnten US-Bürger etwa eine Einschränkung der Redefreiheit durch europäische Urheberrechtsansprüche befürchten. Europäer dagegen müssen damit rechnen, dass sich die amerikanische Praxis der Patenterteilung durchsetzen wird, da die Gerichte des Landes dafür zuständig sind, in denen das Patent erteilt wurde. Europäische Länder müssten Urteile von US-Gerichten dann durchsetzen. Beispielsweise ließe sich so Artikel 52 des Europäischen Patentübereinkommens, der die Erteilung von Patenten auf Software "als solche" verbietet, aushebeln.

In Deutschland gibt es bisher keine öffentliche Diskussion über diese geplanten und möglicherweise auch für Verbraucher sehr einschneidenden Veränderungen. Zwar wurden die englische und französischen Fassungen des Vertragsentwurfes schon vor längerer Zeit online zugänglich gemacht, doch in Deutschland hat die Regierung den Vertragsentwurf bislang lediglich an einige wenige Verbände verschickt. Telepolis hat deshalb diese deutschsprachige Fassung des Entwurfs online zugänglich gemacht, um auch hierzulande eine Diskussion zu ermöglichen. (Peter Mühlbauer)

Mehr in Telepolis: Muss Deutschland bald amerikanische Copyrightstandards durchsetzen? (fr)