Themenmolekül: Licht ins Dunkel

Glasers gesammelte Linkwolke aus der Welt der Wissenschaft und Technologie. Diesmal unter anderem mit dem Wandel im Wilden Westen, radioaktiver Farbe und Bücherzensur.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter Glaser

Auf meinen Expeditionen durch das Netz finde ich immer wieder bemerkenswerte Informations-Atome, die sich im Lauf der Zeit zu Themenmolekülen verbinden. Gelegentlich möchte ich an dieser Stelle solche Link-Gravitationswolken aus der Welt der fröhlichen Wissenschaft und Technologie vorlegen.

Im Nachgang zu der heftigen Debatte über Online-Filter und eine mögliche Zensurinfrastruktur: Verbotene Bücher mit Google Books entdecken. Viele der Bücher, die im Lauf der Jahrhunderte verboten wurden oder umstritten waren, gelten heute als literarische Klassiker. In Anlehnung an die Banned Books Week haben die Freunde des Unverbotenen bei Google Explore Banned Books auf die Beine gestellt, um vieler dieser Bücher zumindest in Ausschnitten lesen zu können. Dieses Tool ist nicht nur hilfreich für Literaturprofessoren und Studierende, die an der Analyse der Texte interessiert sein werden. Zu den Klassikern der Kollektion gehören Bücher wie "Lady Chatterley's Lover" von DH Lawrence, Kurt Vonneguts "Slaughterhouse Five", William Faulkners "As I Lay Dying" und Salmand Rushdies "Satanische Verse".

Auch der 1986 von dem Underground-Comiczeichner Denis Kitchen gegründete Comic Book Legal Defence Fund (CBLDF) ist Teil der Koalition "Banned Books Week". Die gemeinnützige Organisation setzt sich für die verfassungsmäßig garantierten Rechte freier Meinungsäußerung in Comics ein. Auf der Website findet sich eine Fülle von Informationen zu Comics und Graphic Novels, die nach wie vor zu den am häufigsten umstrittenen Genres gehören. Dazu gehört eine detaillierte Zensurgeschichte der Comics in mehreren Essays, in denen die Problematik bis in die 1930er Jahre zurückverfolgt wird. Mir dabei eine Diskussion über Dr. Frederic Werthams berühmt-berüchtigtes Anti-Comic-Buch Seduction of the Innocent ("Verführung der Unschuldigen") über den verderblichen Einfluss von Comics auf die Jugend aus dem Jahr 1954.

Das Online-Magazin Undark ("Truth, Beauty, Science") ist ein eindrucksvolles Beispiel für Wissenschaftsjournalismus. Es setzt sich kritisch und zugleich eingängig mit einem breiten Fächer wissenschaftlichen Themen auseinander und fährt eine große Vielfalt an ausführlichen Artikeln, Videodokumentationen und Foto-Essays auf. Die mit leichter Hand eingesetzten und gekonnt integrierten Medienformen machen Undark zu einem echten Multimedia-Erlebnis. Der Magazintitel bezieht sich auf ein dunkles Kapitel angewandter Wissenschaft: Undark war der Markenname einer radioaktiven Farbe, die von der US Radium Corporation zwischen 1917 und 1938 produziert wurde. Sie glänzte grünlich im Dunklen und wurde für Ziffernblätter oder Skalen an militärischem Gerät verwendet, die auch nachts ablesbar sein sollten.

Viele der jungen Fabrikarbeiterinnen, die uninformiert über deren Gefährlichkeit die Farbe auftrugen und die feinen Pinsel mit dem Mund anfeuchteten, starben früh und schrecklich. Sie wurden bekannt als die Radium Girls. Das Magazin Undark entstand im Frühjahr 2017 im Rahmen des Knight Science Journalism Program am MIT, das sich dem investigativen Journalismus im Wissenschaftsbereich verschrieben hat: "Wir verwenden den Namen als Hinweis für die Leser, dass in diesem Magazin Wissenschaft nicht nur als Quelle erstaunlicher Phänomene in Erscheinung tritt, sondern sich auch ein durchaus wunderliches, gelegentlich streitsüchtiges und manchmal beunruhigendes Nebenprodukt der menschlichen Kultur zeigen kann."

Die Geographie der US-amerikanischen Post: In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts entstanden im Westen der Vereinigten Staaten die ersten Postämter und veränderten das tägliche Leben. Im Laufe von 50 Jahren wurden aus einer Handvoll Poststellen in dieser Region mehrere hundert Postämter von oft sehr unterschiedlicher Lebensdauer – der Wilde Westen im Wandel. Auf dieser Website findet sich eine interaktive Zeitleiste und Karte, die von Historikern des Stanford Center for Spatial and Textual Analysis erstellt wurde. Man kann damit Postämter erkunden, die zwischen 1850 und 1900 eröffnet und dann aber wieder geschlossen wurden respektive aktiv blieben. Das interessante Projekt zeigt, wie der Westen sich rasch veränderte.

(bsc)