Fälschungssichere Tickets aus dem Internet
Wissenschaftler am Fraunhofer Institut für graphische Datenverarbeitung haben ein System entwickelt, mit dem man fälschungssichere Eintrittskarten per Internet ausliefern kann.
Am Anfang stand der Ärger über die Schlange vor der Kinokasse. Eine halbe Stunde warten, und dann ist am Ende die letzte Karte weg. "Das darf doch in Zeiten von Internet gar nicht mehr sein." Christoph Busch vom Fraunhofer-Institut für graphische Datenverarbeitung (Fraunhofer IGD) in Darmstadt kann sich bei diesem Thema immer wieder aufregen. Und er ist nicht der einzige. Deshalb ist er überzeugt, dass sein Patent für eine fälschungssichere Eintrittskarte per Internet ein Renner wird. Das System könnte für Eintrittskarten die Bedeutung erlangen, die das Datenkompressionsprogramm MP3 für die Musiküberspielung hat.
Die zündende Idee kam dem Abteilungsleiter für Sicherheitstechnologie beim Feierabendbier, als wieder einmal die Rede auf die Kinoschlangen kam. Die Wissenschaftler ließen ihre Gedanken fliegen und wurden fündig: Eine elektronische Verschlüsselung gepaart mit einem Barcode, jener Strichfolge, mit der auch Lebensmittel an der Kasse abgerechnet werden. Allerdings hat Busch auf den so genannten zweidimensionalen Code zurückgegriffen, bei dem die Striche in rechtem Winkel übereinander liegen. Auf diese Weise können dort viel mehr Informationen untergebracht werden.
Dieses quadratische Webmuster soll nun die Eintrittskarten der Zukunft prägen. Am Einlass kann der Scanner sofort erkennen, wann das Ticket gekauft und ob es schon einmal vorgezeigt wurde. Die Karten können mit jedem Drucker ausgedruckt werden, "selbst auf meinem Exemplar aus Studententagen, das hellgrau auf weiß druckt", bestätigt Busch. Sie können gefaxt werden und sind selbst in zerknittertem Zustand noch eindeutig zu identifizieren.
Im Kulturzentrum "Centralstation" in Darmstadt hat diese Zukunft bereits begonnen. "Dort kann ich noch eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn eine Karte aus dem Internet ausdrucken lassen", begeistert sich Busch. Als er seinem Freund Alexander Marschall, einem der Geschäftsführer der "Centralstation", die Erfindung ans Herz legte, war dieser wenig begeistert. "Ich wollte nicht schon wieder ein neues Ticketsystem einführen." Inzwischen gehört er zu den glühendsten Verfechtern.
"Natürlich versuchen immer wieder Besucher, mit einer kopierten Karte hereinzukommen, vor allem bei ausverkauften Veranstaltungen", erzählt Marschall. Sie werden dann freundlich an die Kasse geschickt und müssen sich dort unangenehmen Fragen stellen. "Von 50 Betroffen kommt nur einer unten an, die anderen geben ihr Vorhaben auf", sagt Marschall. Den Code zu knacken, hält er für fast unmöglich. "Dafür müssten alle Rechner der Welt drei Jahre lang rechnen, und dieser Aufwand ist für eine Eintrittskarte wohl nicht angemessen."
Bei der "Centralstation" nutzen auch die Vorverkaufsstellen den Internet-Verkauf. "Jeder kann auf 100 Prozent des Kontingents zurückgreifen", erklärt Marschall. Damit sind die Zeiten vorbei, in denen einige Vorverkaufsstellen auf Karten sitzen blieben, die in anderen händeringend gesucht wurden. Hat jemand seine Karte verloren, so kann ihm die "Centralstation" mit Hilfe seiner Daten eine neue ausstellen.
Gesichert hat sich das Patent die Münchner Firma "Net-Up", der Marschall als Berater zur Seite steht. Einige kleine Kulturträger wie das E-Werk in Erlangen oder die München-Pasinger Fabrik vertrauen auf die Innovation. Mit der "Körperwelten-Ausstellung" in Berlin hat sich bereits auch ein prominenter Kunde gefunden. "Wir stehen im Moment außerdem mit einem der beiden großen Ticketverkäufer in Deutschland in Verhandlungen", sagt Marschall. Finanziert wird das System weitgehend durch den Kartenverkauf. Rund 1,50 Mark pro Ticket gehen an "Net-Up" und einige Pfennige an das Fraunhofer-Institut, erklärt Marschall: "Die Kunden merken davon nichts, die Karten werden weder billiger noch teurer."
Ob die neue Technik ein Erfolg wird, hängt nicht zuletzt von den Kunden ab. In der "Centralstation" nutzen etwa 15 Prozent das Online-Angebot. Das größte Hindernis ist für Marschall die menschliche Psyche: Viele Kulturliebhaber steuern ihre festen Vorverkaufsstellen wegen der Ansprache an. Andere lehnen das Internet ab, eine Einstellung, die der Geschäftsführer nur allzu gut kennt: "Meine Freundin würde sich nie so eine Karte holen." (Ingo Senft-Werner, dpa) / (wst)