50 Jahre Deutsche Forschungsgemeinschaft
Neuanfang vor einem halben Jahrhundert: Am 2. August 1951 wurde die Selbstverwaltungsorganisation der deutschen Wissenschaft, die DFG, gegrĂĽndet.
Neuanfang vor einem halben Jahrhundert: Am 2. August 1951 ging die zentrale Selbstverwaltungsorganisation der deutschen Wissenschaft, die DFG, aus der Fusion von Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft und Deutschem Forschungsrat hervor.
Nach der bis heute gültigen Satzung hat die DFG den Auftrag, "die Wissenschaft in allen ihren Zweigen" zu fördern. Mit einem Forschungsetat von derzeit 2,3 Milliarden Mark, die Bund und Länder gemeinsam zur Verfügung stellen, unterstützt und koordiniert sie Forschungsvorhaben, deren Spektrum von der Archäologie bis zur Zoologie reicht – dies vor allem an den Hochschulen, denen mit einem Anteil von etwa 85 Prozent der überwiegende Teil der Mittel zukommt. Darüberhinaus berät sie Parlamente und Behörden in wissenschaftlichen Fragen und pflegt Verbindungen der Forschung zur ausländischen Wissenschaft und zur Wirtschaft.
Der Vorläufer der DFG, die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, war 1920, zwei Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Zusammenbruch des Kaiserreichs, in Berlin gegründet worden, um der darniederliegenden Hochschulforschung Geldquellen zu erschließen. Erster Präsident wurde der preußische Kultusminister Friedrich Schmitt-Ott, sein Stellvertreter der Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Chemie Fritz Haber, der im Krieg den völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz geleitet hatte.
Als Untertitel führte die DFG seit 1929 den Namen "Deutsche Forschungsgemeinschaft". Im Nationalsozialismus wurde sie politisch und ideologisch instrumentalisiert und als nachgeordnete Behörde dem Reichswissenschaftsministerium unterstellt. Ein Jahr nach der Machtergreifung gelangt 1934 mit Johannes Stark ein Vertreter der antisemitischen "Deutschen Physik" ins Präsidentenamt; ihm folgt mit Rudolf Mentzel ein "Wehrchemiker". In dieser Zeit förderte die DFG unter anderem Experimente des SS-Arztes Josef Mengele im Konzentrationslager Auschwitz sowie die tödlichen Versuche an Häftlingen im KZ Dachau zur Entwicklung eines Impfstoffes gegen Malaria.
Die historische Aufarbeitung dieses Teils ihrer Vergangenheit hat die Organisation in der Rechtsform eines Vereins bürgerlichen Rechts – dessen 93 Mitglieder die Hochschulen, Akademien der Wissenschaft, Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft sowie eine Reihe von wissenschaftlichen Verbänden sind – erst spät in Angriff genommen. Als erster Schritt gilt die 1999 im Verlag C.H. Beck erschienene Auftragsstudie des Frankfurter Historikers Notker Hammerstein "Die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der Weimarer Republik und im Dritten Reich".
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft am 11. Januar 1949 ein zweites Mal gegründet – in Bonn, das kurze Zeit später der provisorische Regierungssitz der Bundesrepublik Deutschland wurde. Daneben entstand auf Initiative der Akademien in Göttingen, Heidelberg und München sowie der Max-Planck-Gesellschaft der Deutsche Forschungsrat, der die Regierung der jungen Bundesrepublik in wissenschaftlichen Fragen beraten sollte – eine Aufgabe, die für Bund und Länder seit 1957 der Wissenschaftsrat wahrnimmt.
Heute rühmt sich die DFG unter dem jetzigen Präsidenten, dem Molekularbiologen Ernst-Ludwig Winnacker, mit ihrer "Gutachterdemokratie" ein "Garant für wissenschaftliche Qualität" zu sein. Jeder promovierte Wissenschaftler kann Anträge auf Forschungsförderung stellen, die von ehrenamtlich tätigen und in den einzelnen Fächern für jeweils vier Jahre gewählten Fachgutachtern geprüft werden. Daneben fördert die DFG thematisch orientierte Schwerpunktprogramme und mittlerweile 284 Sonderforschungsbereiche, die zur Profilbildung an den Universitäten beitragen sollen; des weiteren Tagungen und Graduiertenkollegs für Nachwuchswissenschaftler.
Zurzeit steht die DFG durch ihr Eintreten für die Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen im Rampenlicht der öffentlichen Diskussion und im Schatten der Vergangenheit zugleich. Die einen sehen in dem Verbrauch von Embryonen zu Experimenten den Einstieg in eine "sanfte" Eugenik und Menschenzüchtung, von der die Nazis nur hätten träumen können, die anderen argumentieren mit den vagen Heilsversprechen künftiger Therapien und beschwören das Mithalten im internationalen Forschungswettbewerb.
Die Spaltung der Gesellschaft in dieser Frage erfasst inzwischen auch zwei ehemalige DFG-Präsidenten: In der am heutigen 2. August erscheinenden Ausgabe der britischen Wissenschaftszeitschrift Nature sieht der Biologe Hubert Markl, jetzt Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, die Freiheit jedes Bürgers von einer "fehlgeleiteten moralischen Mehrheit" bedroht, während der Münchner Literaturwissenschaftler Wolfgang Frühwald, jetzt Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung, vor einigen Tagen in der Bonner Zeitschrift Forschung&Lehre die Kontroverse über die Stammzellenforschung als "Kulturkampf" eines um sich greifenden, wissenschaftlich-sozialdarwinistischen Menschenbildes bezeichnete. Der Kernpunkt der Auseinandersetzung reduziert sich letztlich auf die Frage, ob ein Verein von Forschungsorganisationen, der Steuermittel an die Wissenschaft verteilt, Grenzen der wissenschaftlichen Forschung akzeptiert. (Richard Sietmann) / (jk)